Autorin: Regina Oehler
Biodiversität und Ästhetik: wann wir uns in der Welt zuhause fühlen
Wir Menschen brauchen Natur, um in der Welt daheim zu sein. Sie hilft uns dabei, gesund zu bleiben und gut mit den Grenzen zu leben, die uns unsere eigene Biologie setzt. Und wir brauchen für diese Erfahrungen schöne Natur.
Wenn wir Landschaften ausräumen und die Vielfalt der Natur zerstören, ist das auch ein Thema der Ästhetik. Und ästhetische Fragen sind keineswegs weniger drängend als ethische Fragen – und hängen oft eng mit ihnen zusammen. Davon sind die Philosophin, der Mediziner, der Hirnforscher und der Philosoph überzeugt, die in dieser letzten Funkkolleg-Folge zu Wort kommen.
Sendung als Podcast
Download Funkkolleg Biologie und Ethik (24), MP3-Audioformat, 27:13 Min., 49.8 MB
Sendung in hr-iNFO: 12.05.2018, 11:30 Uhr
Literatur zur Sendung
- Peter Kurzeck: Vorabend. Frankfurt, Verlag Stroemfeld/Roter Stern, 2011.
- Regine Kather: Die Wiederentdeckung der Natur. Naturphilosophie im Zeichen der ökologischen Krise. Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2012.
- Ulrich Gebhard, Thomas Kistemann (Hrsg.): Landschaft, Identität und Gesundheit. Wiesbaden, Springer Fachmedien, 2016.
Zusatzmaterial
- Natur und Gesundheit
- Ästhetik und intrinsischer Wert der Biodiversität
- Komplexität und Funktionen von Ökosystemen
- Natur und Ästhetik
1. Natur und Gesundheit
Die Wirkung der Natur macht nicht nur glücklich, sondern auch gesund. Dies ist inzwischen umfassend wissenschaftlich belegt, das Thema wird auch in den Medien breit aufgegriffen, z.B. hier (Auswahl):
Peikert, D (2018). Heilendes Grün. Eine Dosis Wald. FAZnet. http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/wald-hat-positive-wirkung-auf-das-immunsystem-15365863.html
Sparmann, A (2017). Draußen sein. DIE ZEIT Online.
https://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/20/natur-wohlbefinden-gesundheit-wald-wissenschaft
Clark Howard, B (2017). Naturverbundenheit fördert Kreativität und Gesundheit. National Geographic. https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2017/03/naturverbundenheit-foerdert-kreativitaet-und-gesundheit
: Natur: die beste Gesundheitsschule. Interview mit dem Hirnforscher Gerald Hüther. GEO Wissen.Jiménez, F (2016). Heilsame Natur: Der Wald ist ein wahrer Seelentröster. WELT
https://www.welt.de/gesundheit/article154517284/Nur-fuenf-Minuten-im-Wald-staerken-Ihr-Selbstbewusstsein.html
Neubauer, K (2014): Warum Waldspaziergänge so gesund sind. Spiegel Online.
http://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/waldspaziergaenge-warum-sie-fuer-koerper-und-geist-gesund-sind-a-952492.html
Deutsche Zusammenfassung einer englischen Studie, in der ermittelt wurde, nach welcher Zeit bereits ein positiver Effekt von Natur auf die Psyche messbar ist.
https://www.stern.de/gesundheit/wirkung-der-natur-untersucht-so-schnell-macht-gruen-gluecklich-3096272.html
Veröffentlichungen von Behörden zum Thema:
Themenseite des Bundesamtes für Naturschutz mit zahlreichen weiterführenden Informationen und Links:
https://natgesis.bfn.de/fachwissen-gesundheit/gesundheitsfoerderung-und-praevention/erholung-wohlbefinden.html
Konferenzdokumentation „Naturschutz und Gesundheit“ (2009) herausgegeben von BfN und BMU:
https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/images/themen/sportundtourismus/Doku-Naturschutz-Gesundheit.pdf
Naturfreunde Internationale & Österreichischen Bundesforsten (2015): Naturerleben und Gesundheit. Eine Studie zur Auswirkung von Natur auf das menschliche Wohlbefinden unter besonderer Berücksichtigung von Waldlebensräumen.
www.bundesforste.at/uploads/publikationen/WasserWege_Gesundheit.pdf
Die Bedeutung von Natur für den Menschen, u.a. auch für die psychische Gesundheit, wird auf der Webseite des Physikers und Naturpädagogen Rainer Brämer umfassend und mit vielen weiterführenden Links und Inhalten dargestellt:
http://www.natursoziologie.de/NS/natursoziologie/natursoziologie.html
http://www.natursoziologie.de/NS/natur-und-psyche/natur-und-psyche.html
Deutschsprachige wissenschaftliche Veröffentlichungen:
Gebhard, U & Kistemann, T (Hrsg.) (2016). Landschaft, Identität und Gesundheit. Zum Konzept der Therapeutischen Landschaften. Wiesbaden: Springer VS.
https://www.springer.com/de/book/9783531197227
Die Gesundheitswissenschaftlerin Prof. Dr. Claudia Hornberg ist Inhaberin der Professur für Umwelt und Gesundheit an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld und Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen. Sie hat umfassend zum Thema Umwelt und Gesundheit publiziert:
Hornberg C, Maschke J (2017) Soziale Vulnerabilität im Kontext von Umwelt, Gesundheit und sozialer Lage. Social vulnerability in context of environment, health and social situation. UMID 2 (2017), 1 -7
Baumeister H, Hornberg C (2016) Gesundheitsförderliche Potenziale von Stadtnatur für jedermann? Health promoting of urban nature for everybody. Aktueller Kenntnisstand und Implikationen für die Städte der Zukunft. Public Health Forum 24(4), 261-264
https://www.degruyter.com/view/j/pubhef.2016.24.issue-4/pubhef-2016-2094/pubhef-2016-2094.xml
Baumeister H, Köckler H, Rüdiger A, Claßen T, Hamilton J, Rüweler M, Assmann C, Baumgart S, Hornberg C (2016): Leitfaden Gesunde Stadt – Hinweise für Stellungnahmen zur Stadtentwicklung aus dem Öffentlichen Gesundheitsdienst. Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen. 214 Seiten, ISBN 978-3-88139-205-1
https://www.lzg.nrw.de/versorgung/ges_plan/gesunde_stadt/index.html
Hornberg C (2016): Gesundheit und Wohlbefinden. In: U. Gebhard & T. Kistemann: Landschaft, Identität und Gesundheit – Zum Konzept der therapeutischen Landschaften. Springer VS– Verlag: 63-70. ISBN978-3-531-19722-7/ ISBN 978-3-531-19723-4 (eBook). DOI; 10.1007/978-3-531-19723-4.
Hornberg, C, Claßen, T & Brodner, B (2016): Kap. 3.3: Umweltbelastungen, Umweltressourcen und Gesundheit. In: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt & Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Umweltgerechtigkeit im Land Berlin – Arbeits- und Entscheidungsgrundlagen für die sozialräumliche Umweltpolitik: Basisbericht 2016. Berlin: 65 – 80.
Hornberg C, Beier R, Claßen T, Herbst T, Hofmann M, Honolt J, Von der Meer E, Wissel S, Wüstemann H (2106) Stadtnatur fördert die Gesundheit. In: Naturkapital Deutschland – TEEB.DE (2016). Ökosystem Leistungen in der Stadt – Gesundheit schützen und Lebensqualität erhöhen. Hrsg. Kowarik I, Bartz R, Brenck M, TU-Berlin, Helmholtzzentrum für Umweltforschung – UVZ, Berlin, Leipzig.
https://www.ufz.de/export/data/global/190508_TEEB_DE_Stadtbericht_Langfassung.pdf
https://www.bfn.de/presse/pressearchiv/2016/detailseite.html?tx_ttnews%5Btt_news%5D=5786&cHash=0624c8ebe4a94f7cce693c36a7d84ab4
Englischsprachige wissenschaftliche Veröffentlichungen:
Link zu den in der Sendung erwähnten Studien zur schnelleren Genesung je nach Aussicht aus dem Krankenzimmer und zum Geburtsgewicht von Neugeborenen je nach Umgebung:
Ulrich RS (1984). View Through a Window May Influence Recovery from Surgery. Science. https://www.researchgate.net/publication/17043718_View_Through_a_Window_May_Influence_Recovery_from_Surgery
Ebisu, K, Holford TR, Bell, ML (2016). Association between Greenness, Urbanicity, and Birth Weight. Sci Total Environ. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4670829/
Ähnliche Studie:
Agay-Shay, K, Peled, A, Crespo, AV Peretz, C Amitai, Y, Linn, S, Friger, M, Nieuwenhuijsen, MJ (2014) Green spaces and adverse pregnancy outcomes. Occupational and Environmental Medicine, 2014; 71 (8): 562 DOI: 10.1136/oemed-2013-101961
Der niederländische Umweltpsychologe Sjerp de Vries forscht an der Universität Wageningen zu den Themen Landschaftswahrnehmung, Erholung im Freien, Auswirkungen von Naturkontakt auf Gesundheit und Wohlbefinden und hat etliche Publikationen dazu veröffentlicht:
Annual Review of Public Health, 35:207-228
http://www.annualreviews.org/doi/abs/10.1146/annurev-publhealth-032013-182443
Applied Geography 45: 220-229
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0143622813002312
Social Science and Medicine, 94: 26-33
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0277953613003742
Annals of the Association of American Geographers, 102(5): 996-1003
http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/00045608.2012.674899#.VMe9aE2_yZU
Landscape and Urban Planning, 105(3): 250-257
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0169204611003720
2. Ästhetik und intrinsischer Wert der Biodiversität
Seit Anfang dieses Jahrtausends steht der ökonomische Wert der Biodiversität stark im Fokus, wie z.B. diese bereits 16 Jahre alte Übersicht zeigt:
Informationen des Schweizer Forums Biodiversität zum Wert der Biodiversität (2005):
Gute Einführungen in das Konzept der Ökosystemleistungen und deren monetärer Bewertung:
http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0523.pdf
https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/skript318.pdf
Aus der zunehmend intensiven wissenschaftlichen Beschäftigung mit diesem Thema entstand 2007 im Umfeld eines G8 + 5-Treffens die TEEB-Initiative (The Economics of Ecosystems and Biodiversity), eine Forschungsinitiative, aus der eine Reihe von Studien hervorging, die bestehende Ansätze zur ökonomischen Bewertung von biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen aufzeigen und zu ihrer Umsetzung beitragen sollen. Ziel der globalen Studie war es, weltweit den ökonomischen Wert der Dienstleistungen von Ökosystemen und der Biodiversität erfassbar zu machen, um diese effektiver vor Zerstörung und Raubbau zu schützen. Auf nationaler Ebene wurde TEEB in Deutschland im Rahmen des Projekts TEEB DE – Naturkapital Deutschland fortgesetzt, bei dem es darum ging, ein stärkeres Bewusstsein für den Wert von Natur schaffen mit dem Ziel, dass dieser Wert – zusätzlich zur Verantwortung – künftig stärker in privaten, unternehmerischen und politischen Entscheidungen berücksichtigt wird.
Weitere Infos: https://de.wikipedia.org/wiki/TEEB
TEEB-Seiten des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ:
http://www.ufz.de/index.php?de=36069
http://www.ufz.de/export/data/global/190499_TEEB_DE_Einfuehrungsbericht_dt.pdf
Englischsprachige TEEB-Seite, auf der die erstellten Berichte abrufbar sind:
http://doc.teebweb.org
Auch der sehr umfangreiche Bericht „Inwertsetzung von Biodiversität“ des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages gibt einen umfassenden Überblick über das Thema Wert der Biodiversität:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/037/1803764.pdf
Folgender Text „Der intrinsische Wert der Biodiversität und das gute Leben“, herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz als Teil des Kapitels „Biodiversität und Ethik“ des BfN-Skripts 309, diskutiert den intrinsischen Wert der Biodiversität:
http://www.faunaweb.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_309.pdf#page=151
In seinem umfangreichen Blog-Post „Der Wert von Biodiversität als Ausdruck unseres Unwissens“ setzt sich der Umweltökonom Bartosz Bartkowski vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ kritisch mit dem intrinsischen und dem ästhetischen Wert von Biodiversität auseinander:
https://scilogs.spektrum.de/umweltforsch/der-wert-biodiversitaet-ausdruck-unwissens/
Ihn stört, dass „die biologische Vielfalt […] einen intrinsischen oder zumindest einen Existenzwert [habe]. Dies bedeutet, dass sie einen Wert unabhängig von direkten Einflüssen aufs menschliche Wohlergehen hat. Ich bin bekanntlich Anthropozentriker, also halte ich von der Idee, die Natur hätte einen Eigenwert, grundsätzlich nicht besonders viel. Doch dem Konzept des Existenzwertes kann ich durchaus etwas abgewinnen – bloß sehe ich nicht, wie Biodiversität einen solchen haben sollte. Wie soll eine abstrakte Eigenschaft, die Vielfältigkeit eines Lebensraumes, einen Wert an sich haben, einfach “weil sie ist”?
Das Buch der Umweltökonomin Anja-Karolina Rovers „Eine empirische Analyse zur ästhetischen und ethischen Wertschätzung mitteldeutscher Buchenwaldgebiete“ (ibidem-Verlag, 2015) setzt sich mit der Erfassung kultureller Ökosystemdienstleistungen unter Verwendung sozialwissenschaftlicher Methoden auseinander, indem sie verschiedene naturethische Argumentationslinien beleuchtet, um den Eigenwert von Natur zu erfassen.
Wer generell am Thema „Ökosystemleistungen“ interessiert ist, zum dem ja auch der ästhetische und kulturelle Wert von Biodiversität und Ökosystem gehört, findet im Journal „Ecosystem Services“ eine Fülle aktueller wissenschaftlicher Studien dazu:
https://www.sciencedirect.com/journal/ecosystem-services
Grundlegender wissenschaftlicher Artikel zur globalen Abschätzung des Wertes von Ökosystemleistungen:
Rudolf de Groot et al (2012): Global estimates of the value of ecosystems and their services in monetary units, Ecosystem Services, Volume 1, Issue 1:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2212041612000101
3. Komplexität und Funktionen von Ökosystemen
Vorab eine einfach verständliche Definition des Begriffes „Ökosystem“. Es gibt viele verschiedene Ökosysteme auf der Erde, sie funktionieren o.E. alle als „offene Systeme“.
http://www.wald.de/was-ist-ein-oekosystem/
( http://www.wald.de/was-ist-ein-oekosystem/ )
Weitere Ausführungen sind hier nachzulesen:
http://www.pflanzenforschung.de/index.php?cID=9314
Und eine recht vollständige Übersicht über die wichtigsten Ökosysteme (Wald, Meer, Brachland, Acker, Heide, Brachland, Stadt sowie das Ökosystem Erde als Gesamtheit) und deren Eigenschaften bieten folgende Seiten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung:
http://www.pflanzenforschung.de/de/journal/journalbeitrage/welche-oekosysteme-gibt-es-10114
Wie im Bildungsserver-Wiki aufgezählt, werden als häufigste Charakteristika von Ökosystemen „offen“, „dynamisch“ und „komplex“ genannt.
„Komplex“ deswegen, weil:
„Ökosysteme haben unterschiedlichste Elemente und Strukturen; diese sind durch ein Netzwerk ökologischer Wirkungs- und Wechselwirkungsbeziehungen miteinander verbunden. In einem Ökosystem laufen unterschiedliche Interaktionen zwischen den Lebewesen untereinander und den abiotischen Standortfaktoren im Geotop ab. Biotische und abiotische Bestandteile beeinflussen sich gegenseitig (Wechselwirkungen) und verändern sich durch Sukzession und Evolution.“
http://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Ökosystem
Oft zitiert wird das „Mosaik-Zyklus-Konzept“ der Ökosysteme, das versucht, in einem „ökologischen Modell die zeitliche Abfolge verschiedener Entwicklungsphasen eines Ökosystems (Sukzessionsstadien) und ihr räumliches Nebeneinander durch einen zyklischen Prozess und nicht durch eine lineare Darstellung zu erklären“:
https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/mosaik-zyklus-konzept-der-oekosysteme/44094
Als komplexestes Ökosystem wird oft der Tropische Regenwald angeführt. Er ist wie folgt in seinen Komponenten charakterisiert:
https://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/tropischer-regenwald/12118
und noch ausführlicher hier:
https://www.planet-wissen.de/natur/landschaften/regenwald/index.html
Auch ein komplexes und sensibles Ökosystem stellt das Wattenmeer dar, wie in diesem umfangreichen Bericht nachzulesen ist: Gesamtsynthese Ökosystemforschung Wattenmeer – Zusammenfassender Bericht zu Forschungsergebnissen und Systemschutz im deutschen Wattenmeer – Forschungsbericht (Nr. 296 85 905) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/2594.pdf
Über die Entwicklung von Naturwald-Ökosystemen in Deutschland bis zum Jahr 2020 informiert ein Positionspapier des NaBu:
https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/wald/130201-nabu-waldentwicklung.pdf
Die Komplexität von Ökosystemen und die bisher nicht in allen Einzelheiten verstandenen Wechselwirkungen zwischen den Komponenten bzw. die Irreversibilität und die Konsequenzen von einmal geschehenen Veränderungen behandelt der folgende Artikel beim Deutschlandfunk-Kultur:
Ein aktuelles Lehrbuch in englischer Sprache zur Komplexizität von Ökosystemen ist folgendes:
William S. Yackinous: Understanding Complex Ecosystem Dynamics – A Systems and Engineering Perspective, 1st Edition, 2015, Elsevier.
Auf den Vorlesungsfolien der ETH Zürich zum Thema „Funktionen von Ökosystemen“ wird anschaulich erläutert, welche Ökosystem-Dynamiken (z.B. positive und negative Feedback Loops, Energieumsätze, etc.) es gibt, welche Konsequenzen diese haben und ob sie reversibel sind.
Einen Überblick über aktuelle Forschung an verschiedenen Ökosystemen, deren Dynamik und Prozesse, Leistungen, Stoff- und Energieflüsse sowie Besonderheiten und Stabilitätsfaktoren, etc. bekommt man sowohl auf den Seiten des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung
https://www.ufz.de/index.php?de=43273
als auch bei der Gesellschaft für Ökologie
http://www.gfoe.org/de/node/72
Weitergehend wird in diesem Zusammenhang auch oft auf die sogenannten „Ökosystemdienstleistungen“ hingewiesen, die nur in intakten Ökosystemen in entsprechender Menge bereit gestellt werden können.
Die Hauptstudie zum Thema Ökosystemdienstleistungen ist der „UN Millenium Ecosystem Assessment Report“, der in verschiedenen Versionen (full reports, synthesis reports) hier erhältlich ist:
https://www.millenniumassessment.org/en/index.html
Das Helmholtz Umweltforschungszentrum hat einen Stellungnahme veröffentlicht über die Relevanz des Millenium Assessment Reports für Deutschland:
https://www.ufz.de/export/data/2/90709_MA_Studie_Zusfas_fin_web.pdf
Und der Bund für Naturschutz erläutert in seiner Broschüre leicht verständlich die 4 Kategorien der Ökosystemdienstleistungen, Möglichkeiten der Inwertsetzung und deren wahren Wert.
- Versorgungsdienstleistungen
- Regulierende Dienstleistungen
- Kulturell bedeutsame Dienstleistungen
- Basisdienstleistungen
https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/naturschutz/__kosystemdienstleistungen.pdf
Als Beispiel für eine Studie, die sich mit der Ermittlung von Ökosystemdienstleistungen, den Methoden, Fallstudien und den dabei gemachten Erfahrungen befasst, wurde vom Bundesamt für Naturschutz 2014 veröffentlicht:
https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_373.pdf
4. Natur und Ästhetik
Was ist Natur? Angelika Krebs (1997: 340) folgt der etymologischen Bedeutung von „Natur“ (lat. „nasci“ = geboren werden, entstehen, sich entwickeln). In diesem Zusammenhang lässt sich nach Krebs folgende Definition für Natur aufstellen. Natur ist
„dasjenige in unserer Welt, das nicht vom Menschen gemacht wurde, sondern das (weitgehend) aus sich selbst entstanden ist, neu entsteht und sich verändert (so wie Tiere, Pflanzen, Steine, Flüsse, Berge, Planeten). Der Gegenbegriff zu „Natur“ in diesem Sinne ist der Begriff des Artefaktes. Beispiele für Artefakte sind Möbel, Autos, Statuen. […] [D]ie Natur, die uns umgibt und um deren Schutz wir uns bemühen, [ist] menschlich überformte, nicht reine, ursprüngliche, unangetastete, wilde Natur […]. Reine Natur gibt es heute allenfalls in der Tiefsee, im Hochgebirge, auf fernen Planeten. […] [M]enschlich überformte Natur [ist] dennoch nicht etwas vom Menschen Gemachtes, sondern eben nur etwas von ihm Überformtes […]. Den Schwarzwald haben Menschen zwar angelegt, aber nicht gemacht, die Altstadt von Freiburg hingegen haben sie gemacht. Natürlich sind die Übergänge zwischen Überformen und Machten fließend, und selbst ein so einleuchtendes Beispiel für ein Artefakt, wie der Computer, basiert auf etwas Nicht-Gemachtem, da er aus natürlichen Materialien hergestellt ist. Während reine Natur – die es heute kaum mehr gibt – und reines Artefakt – das es nicht geben kann, da alles, was Menschen machen aus natürlichen Materialien gemacht wird – die beiden einander entgegengesetzten Pole einer Skala darstellen, sind „Natur“ und „Artefakt“ graduelle Begriffe, die das, was zwischen den Polen liegt, untereinander aufteilen.“ (Krebs 1997: 340 f.)
Was ist Ästhetik? Konrad Ott (1998: 221) unterscheidet zwei Bedeutungen von Ästhetik: zum einen eine „Ästhetik als Theorie des Schönen einschließlich des Naturschönen“ und zum anderen eine „Ästhetik als Lehre von der sinnlichen Wahrnehmung“. Die Naturästhetik im ersten Sinne „bezieht sich theoretisch-reflektierend auf die sinnlich-ästhetische Wahrnehmung von Natur als schöner Erscheinung“. Seit Hegels Abwertung des Naturschönen stand die Ästhetik des Schönen dem Naturschönen skeptisch gegenüber. Hegel verstand Ästhetik vorrangig als Philosophie der Kunst. In seiner „Ästhetischen Theorie“ (1970) versuchte Theodor W. Adorno, das Naturschöne zu rehabilitieren.
Naturästhetik ist ein Teilgebiet der Ästhetik. Nach Schepers (2017: 197 f.) befasst sich die Naturästhetik
„mit der Schönheit, der Erhabenheit und mit verwandten Eigenschaften von Natur, z.B. der, dass Natur imposant, majestätisch, grandios, grazil, lieblich, malerisch oder hübsch ist. Naturästhetik thematisiert die Bedingungen, unter denen wir Natur diese Eigenschaften zuschreiben, und prüft, ob entsprechende Urteile über Natur objektiv sein können. Die Naturästhetik fragt, ob man etwas über Natur wissen muss, um sie schön zu finden, und ob alle Natur schön ist. Naturästhetik befasst sich mit dem Unterschied zwischen Natur und Kunst und damit, ob man Natur wahrnehmen soll wie Kunst. Und Naturästhetik thematisiert die verschiedenen Weisen, auf die wir Natur wahrnehmen, also das Sehen, Riechen, Schmecken, Fühlen und Hören von Natur, sowie die Stimmungen, die Natur in uns hervorrufen kann.“
Das Museum Wiesbaden mit seiner Dauerausstellung der Naturhistorischen Sammlungen „Ästhetik der Natur“ möchte eine Brücke zwischen Kunst und Natur schlagen. Dabei kommen vier Themenräume zur Geltung: Farben und Formenreichtum der Natur, Kraft und Eleganz der Natur in Bewegung und Zeit als Entstehungsgeschichte der heutigen Tiere und Pflanzen. (https://museum-wiesbaden.de/ausstellung-naturhistorische-sammlungen)
Literaturempfehlungen
- Weber, A (2008). Natur und Ästhetik. Die Suche nach der Quelle aller Schönheit. SPIEGEL Online (http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/natur-und-aesthetik-die-suche-nach-der-quelle-aller-schoenheit-a-560022.html)
- Zemanek, E (Hrsg.) (2018). Ökologische Genres. Naturästhetik – Umweltethik – Wissenspoetik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. (Leseprobe Einleitung: http://www.v-r.de/pdf/titel_inhalt_und_leseprobe/1095344/inhaltundleseprobe_9783525317211.pdf)
- Welsch, W (2016). Ästhetische Welterfahrung. Zeitgenössische Kunst zwischen Natur und Kultur. Paderborn: Wilhelm Fink.
- Krebs, A (2014). Why Landscape Beauty Matters. Land 3(4): 1251-1269. (DOI: 10.3390/land3041251) (PDF)
- Parsons, G (2008). Aesthetics & Nature. London: Continuum.
- Parsons, G (2008). Teaching & Learning Guide for: The Aesthetics of Nature. Philosophy Compass 3(5): 1106-1112. (DOI: 10.1111/j.1747-9991.2008.00168.x)
- Thompson, J (1995). Aesthetics and the Value of Nature. Environmental Ethics 17(3): 291-305. (DOI: 10.5840/enviroethics199517319)
- Krebs, A (1997). Naturethik im Überblick, in: dies. (Hrsg.). Naturethik. Grundtexte der gegenwärtigen tier- und ökoethischen Diskussion. Frankfurt: Suhrkamp, 337-379.
- Krebs, A (1999). Ethics of nature. A map. Berlin [u.a.]: de Gruyter.
- Schepers, G (2017). Naturästhetik in der Planungsethik, in: Berr, K (Hrsg.). Architektur- und Planungsethik. Zugänge, Perspektiven, Standpunkte. Wiesbaden: Springer VS, 195-203. (PDF)
- Ott, K (1998). Naturästhetik, Umweltethik, Ökologie und Landschaftsbewertung. Überlegungen zu einem spannungsreichen Verhältnis, in: Theobald, W (Hrsg.). Integrative Umweltbewertung. Umweltnatur- & Umweltsozialwissenschaften. Berlin [u.a.]: Springer, 221-246. (DOI: 10.1007/978-3-642-58974-4_12)
- Assheuer, T (2012). Träumereien eines Spaziergängers. Gespräch mit Martin Seel. ZEIT Online (https://www.zeit.de/2012/26/Rousseau-Interview-Seel)
- Seel, M (1991). Eine Ästhetik der Natur. Frankfurt: Suhrkamp.
- Seel, M (1991). Ästhetische Argumente in der Ethik der Natur. Deutsche Zeitschrift für Philosophie 39: 901-913.
- Kather, R (2012). Die Wiederentdeckung der Natur. Naturphilosophie im Zeichen der ökologischen Krise. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG).
- Pilz, M (2017). Ernst Haeckel. Der Künstler, der die Natur neu erfand. WELT Online (https://www.welt.de/kultur/article170080937/Der-Kuenstler-der-die-Natur-neu-erfand.html)
- Breidbach, O (2006). Ernst Haeckel. Bildwelten der Natur. München [u.a.]: Prestel.
- Breidbach, O (2012). Ernst Haeckel. Kunstformen der Natur – Kunstformen aus dem Meer. München [u.a.]: Prestel.
Zusatzmaterialien als PDF zum Herunterladen
Die Materialien wurden zum Zugriffszeitpunkt 09.05.2018 erstellt von:
Volker Mosbrugger, Sybille Roller, Francesco Lupusella, Annette Kolb und Julia Krohmer.