08 Die Crispr-Revolution: wie sich ethische Debatten verändern

Autorin: Regina Oehler

Die Crispr-Revolution: wie sich ethische Debatten verändern

Drängende Fragen gibt es genug: Gene nach Wahl und Wunsch, bei Bakterien, Pflanzen Tieren, Menschen, warum nicht? Und warum nicht auch die menschliche Keimbahn gezielt verändern – warum nicht ein für alle Male Gene ausschalten, die krank machen?

Neue Werkzeuge in der Gentechnik, molekulare Gen-Scheren mit dem Namen Crispr/CAS 9, haben für eine Revolution in der Biologie gesorgt. Was früher als eine Möglichkeit am fernen Horizont erschien, scheint plötzlich in greifbare Nähe gerückt. Eine rasante Dynamik entwickelt sich in den Forschungslabors rund um den Globus, Monat für Monat werden die Grenzen des Vorstellbaren, die Grenze des Machbaren weiter verschoben. Jede Menge Stoff für große Debatten, könnte man meinen. Aber in der Öffentlichkeit war es lange erstaunlich ruhig.

In den USA wird bereits über das Wie und Wann von Eingriffen diskutiert

In Deutschland sind es jetzt Forscherinnen und Forscher, die eine breite Diskussion forcieren wollen. Eine Expertengruppe der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften, meint, es sei an der Zeit, auch in Deutschland neu über Forschung an Embryonen zu diskutieren, die ja durch das Embryonenschutzgesetz verboten ist.

In den USA dagegen wird an Embryonen geforscht und gleichzeitig in aller Ruhe nicht mehr über das Ob, sondern über das Wie und Wann von Eingriffen in die menschliche Keimbahn diskutiert. Die rote Linie, die lange als allgemein verbindlich galt – keine Veränderungen im menschlichen Erbgut, die dann von Generation zu Generation weitergegeben würden -, scheint nicht mehr zu existieren.

Auch ethische Stellungsnahmen haben eben eine Halbwertszeit, sagen manche Ethiker in Deutschland. Andere halten dagegen, wir dürften ethische Debatten nicht auf Auseinandersetzungen über Verfahren reduzieren, müssten neu darüber nachdenken, in was für einer Gesellschaft wir jetzt und in Zukunft leben wollen.

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Sendung als Podcast

Download Funkkolleg Biologie und Ethik (08), MP3-Audioformat, 29:30 Min., 54.0 MB

Sendung in hr-iNFO: 16.12.2017, 11:30 Uhr

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Zusatzmaterial

  1. Bioethik, Entwicklung und Positionen
  2. Embryonenschutzgesetz
  3. Embryonale Stammzellen
  4. (Menschliche) Keimbahn
  5. Reproduktionsmedizin / Künstliche Befruchtung / In-vitro-Fertilisation
  6. Gen-Drive
  7. Summit on Genome Editing der National Academy of Sciences (USA) 2015
  8. Rio Conference 1992
  9. Prinzip Verantwortung (Hans Jonas und die Umweltethik)

 1. Bioethik, Entwicklung und Positionen

Bücher zum Einstieg ins Thema:

  • Eisser, TL, Sorgner, SL (Hg.) (2011). Geschichte der Bioethik. Eine Einführung. Paderborn: Mentis-Verlag. 441 Seiten. ISBN: 978-3-89785-757-5
  • Düwell, M, Steigleder, K (Hg.) (2003). Bioethik. Eine Einführung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. 454 Seiten. ISBN: 978-3-518-29197-9.
  • Brand, C, Engels, EM, Ferrari, A, Kocács, L (Hg.) (2008). Wie funktioniert Bioethik? Paderborn: Mentis-Verlag. 341 Seiten. ISBN: 978-3-89785-577-9.

Online verfügbare Artikel:

Der Belmont-Report ist ein Dokument der 1974 in den USA gegründeten „National Commission for the Protection of Human Subjects of Biomedical and Behavioral Research“. Die Autoren formulieren darin ethische Prinzipien der biomedizinischen und Verhaltensforschung. Der Report wurde im September 1978 fertiggestellt und im April 1979 im Federal Register publiziert:
https://www.hhs.gov/ohrp/regulations-and-policy/belmont-report/index.html

Kurze Stellungnahme zu den Möglichkeiten und Risiken des CRISPR/Cas-Genom-Editierung:
http://www.bioethicsobservatory.org/2016/02/crispr-cas9-genome-editing-biomedical-and-ethical-considerations/12026

Das Forschungsprojekt EURAT zur normativen Fragen der Genomsequenzierung:
Zehn Wissenschaftler der Universität Heidelberg, des Heidelberger Universitätsklinikums, des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) und des Max-Planck-Instituts (MPI) für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht bearbeiten normative Fragen auf den Feldern von Ethik und Recht sowie die ökonomischen Aspekte der Totalsequenzierung:

http://www.uni-heidelberg.de/totalsequenzierung/informationen/fragen.html

http://www.marsilius-kolleg.uni-heidelberg.de/projekte/totalsequenzierung.html

Hier finden sich auch viele Kommentare und Stellungnahmen zur Genomsequenzierung und zum Umgang mit genetischen Daten:

http://www.uni-heidelberg.de/totalsequenzierung/

EURAT-Kommentar zum Gendiagnostikgesetz von 2010:
„Auch das deutsche Gendiagnostikgesetz (http://www.gesetze-im-internet.de/gendg/index.html), das seit Februar 2010 in Kraft ist, regelt den Umgang mit den neuen technischen Möglichkeiten nicht adäquat; zudem werden genetische Untersuchungen und Analysen sowie der Umgang mit genetischen Proben und Daten zu Forschungszwecken aus einer Reihe von Gründen von ihm nicht erfasst. EURAT wird hierzu Stellung beziehen und beratend tätig werden.“

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2. Embryonenschutzgesetz

https://www.gesetze-im-internet.de/eschg/BJNR027460990.html

http://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/bioethik/33770/embryonenschutz

Ist das Embryonenschutzgesetz veraltet?

http://www.deutschlandfunk.de/embryonenschutzgesetz-veraltet-viele-bereiche-ungeregelt.676.de.html?dram:article_id=398504

http://www.zeit.de/2017/43/embryonenschutzgesetz-kuenstliche-befruchtung-reproduktionsmedizin-reform

Diskussionspapier der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften zu Genome Editing und Embryonenschutz:

https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2017_Diskussionspapier_GenomeEditing.pdf

https://www.leopoldina.org/de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/press/2513/

Auch auf ihrer Jahresversammlung 2017 befasste sich die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina unter dem Titel „Veränderungen des Genoms – Herausforderungen für die Zukunft“ mit diesen Entwicklungen. Die Teilnehmer tauschten sich über Grundlagen programmierbarer „Genscheren”, Genome Editing in der klinischen Forschung, Perspektiven der Anwendung sowie gesellschaftliche und rechtliche Perspektiven der neuen Methoden aus:

http://www.leopoldina.org/de/veranstaltungen/veranstaltung/event/2449/

Der Deutsche Ethikrat hat im September 2017 eine Ad-hoc-Empfehlung veröffentlicht:

http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/empfehlung-keimbahneingriffe-am-menschlichen-embryo.pdf

Das Thema Embryonenschutzgesetz wurde auch in Sendung 05 behandelt. Dort finden Sie ebenfalls Zusatzmaterialien zu diesem Thema.

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 3. Embryonale Stammzellen

Auf dem Webportal wissensschau.de des Biochemikers und Immunologen Volker Henn werden die Möglichkeiten der aktuellen Stammzellforschung zusammengefasst:

http://www.wissensschau.de/stammzellen/embryonale_stammzellen.php

Hier werden auch die Bedenken dargelegt, die mit den neuen Möglichkeiten einhergehen:

http://www.wissensschau.de/stammzellen/stammzellen_ethik.php

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 4. (Menschliche) Keimbahn

Definition Keimbahn: http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/keimbahn/35717

Der Deutsche Ethikrat fordert einen globalen politischen Diskurs und eine internationale Regulierung: http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/empfehlung-keimbahneingriffe-am-menschlichen-embryo.pdf

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5. Reproduktionsmedizin / Künstliche Befruchtung / In-vitro-Fertilisation

Die Scobel-Sendung „Baby nach Plan“ diskutiert, ob Medizin Wunscherfüllung um jeden Preis ist und inwieweit die moderne Medizin auch die Grenzen des Machbaren respektieren und auch definieren muss. Die Sendung lotet die Möglichkeiten und Grenzen der Reproduktionsmedizin aus:

https://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=48638

Die ethischen Probleme der Reproduktionsmedizin

Auch der folgende Beitrag des Deutschlandfunks fasst die ethischen Probleme der Reproduktionsmedizin zusammen:

http://www.deutschlandfunk.de/kinderwunsch-ethische-probleme-der-reproduktionsmedizin.1148.de.html?dram:article_id=337601

Rieger, L et al. (2007). In-Vitro-Fertilisation. Ein ethisches Dilemma. Dtsch Arztebl 104 (17): A 1146-1150. (https://www.aerzteblatt.de/archiv/55395/In-Vitro-Fertilisation-Ein-ethisches-Dilemma)

Das Thema Reproduktionsmedizin wurde bereits in Sendung 05 behandelt. Dort finden Sie auch Zusatzmaterialien zu diesem Thema.

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6. Gen-Drive

Zusammenfassung der öffentlichen Tagung des EthikratesGene-Drive – Vererbungsturbo in Medizin und Landwirtschaft“ (26. Oktober 2017 in Frankfurt/Main) und Links zu Präsentationen und weiteren Materialien:

http://www.ethikrat.org/veranstaltungen/weitere-veranstaltungen/gene-drive

Artikel auf der Webseite des Deutschlandfunks: Selbstsüchtige Gene – Revolutionieren Gene Drives Medizin und Naturschutz?

http://www.deutschlandfunk.de/selbstsuechtige-gene-revolutionieren-gene-drives-medizin.740.de.html?dram:article_id=396540

Auch die Lindauer Nobelpreisträgertagung diskutiert in den letzten Jahren immer wieder diese Themen:

http://www.lindau-nobel.org/de/gene-editing-zwischen-faszination-und-erschrecken-uber-ungeahnte-moglichkeiten-wohin-soll-der-weg-gehen/

http://www.lindau-nobel.org/de/gene-drive-evolution-auf-der-uberholspur/

Das Thema Gen Drive wurde zudem bereits in Sendung 03 behandelt. Dort finden Sie auch Zusatzmaterialien zu diesem Thema.

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7. Summit on Genome Editing der National Academy of Sciences (USA) 2015

Ein Beitrag des Gen-ethischen Netzwerkes e.V. fasst die akutelle Diskussion um die ethischen Grenzen des Genome Editing zusammen und geht auch auf die Ergebnisse des Ende 2015 durch die National Academy of Sciences und die National Academy of Medicine (USA), die chinesische Academy of Sciences und die britische Royal Society veranstalteten International Summit on Human Genome Editing ein:

http://gen-ethisches-netzwerk.de/genome-editing/die-internationale-debatte-um-genome-editing

Die englischsprachige Seite der Veranstalter:

http://nationalacademies.org/gene-editing/Gene-Edit-Summit/

Englischsprachige Zusammenfassung des Gipfels:

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK343651/

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8. Rio Conference 1992

Bei der Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 wollten die Vereinten Nationen das „Precautionary Principle“ (Vorsorgeprinzip) verbindlich machen.

http://www.un.org/documents/ga/conf151/aconf15126-1annex1.htm

http://www.unesco.org/education/pdf/RIO_E.PDF

Das Video der Rede der Kinder kann hier angesehen werden: https://www.youtube.com/watch?v=wNSV4zMquCk

Literatur zum Precautionary Principle

  • O’Riordan, T/ Jordan, A (1994) (Hrsg.). Interpreting the Precautionary Principle, London: Cameron May.
  • O’Riordan, T/ Jordan, A (1995). The Precautionary Principle in Contemporary Environmental Politics. Environmental Values 4: 191-212. (doi: 10.3197/096327195776679475) (PDF)
  • Peel, J (2009). Interpretation and Application of the Precautionary Principle: Australia’s Contribution. Review of European Community & International Environmental Law 18 (1): 11-25. (doi: 10.1111/j.1467-9388.2009.00620.x)

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9. Prinzip Verantwortung (Hans Jonas und die Umweltethik)

Literatur zum Prinzip Verantwortung:

  • Jonas, H (2003[1979]). Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Bordat, J (2008). Prinzip: Verantwortung. Wolfgang Erich Müller bringt uns den Philosophen Hans Jonas näher. (http://literaturkritik.de/id/12502)
  • Mbungu Mutu, J (2012). Ökologische Ethik und Das Prinzip Verantwortung. Ein Beitrag zur Aktualität der ethischen Theorie von Hans Jonas, Frankfurt am Main [u.a.]: Lang.
  • Müller, WE (1988). Der Begriff der Verantwortung bei Hans Jonas, Frankfurt am Main: Athenäum.
  • Müller, WE (2003) (Hrsg.). Hans Jonas – Von der Gnosisforschung zur Verantwortungsethik, Stuttgart: Kohlhammer.
  • Müller, WE (2008). Hans Jonas. Philosoph der Verantwortung. Darmstadt: Primus.
  • Rath, M (1988). Intuition und Modell. Hans Jonas‘ „Prinzip Verantwortung“ und die Frage nach einer Ethik für das wissenschaftliche Zeitalter, Frankfurt am Main [u.a.]: Lang.
  • Wendnagel, J (1990). Ethische Neubesinnung als Ausweg aus der Weltkrise? Ein Gespräch mit dem „Prinzip Verantwortung“ von Hans Jonas, Würzburg: Königshausen & Neumann.
  • Werner, MH (2003). Hans Jonas‘ Prinzip Verantwortung. In: Düwell, M/ Steigleder, K (Hrsg.). Bioethik. Eine Einführung, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 41-56.

Zusammenfassung des Buches von Hans Jonas als Video:

Ob das Prinzip Verantwortung noch aktuell ist, erörtert der Siegener Historiker Jürgen Nielsen-Sikora (der auch die erste umfassende Biografie des Philosophen Hans Jonas verfasst hat) in folgendem Arbeitspapier:

https://www.uni-siegen.de/fokos/publikationen/veroeffentlichungen/workinpaper-2015_02.pdf

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Zusatzmaterialien als PDF zum Herunterladen

Die Materialien wurden zum Zugriffszeitpunkt 13.12.2017 erstellt von:
Volker Mosbrugger, Sybille Roller, Francesco Lupusella, Annette Klussmann-Kolb, Julia Krohmer