21 Züchten, erforschen, schlachten: wie darf ich mit Tieren umgehen?

Autor: Hellmuth Nordwig

Züchten, erforschen, schlachten: wie darf ich mit Tieren umgehen?

Unser Umgang mit Tieren ist voller Widersprüche. Forscher untersuchen an Affen die Wirkung von Dieselabgasen? Das geht gar nicht! Und im Pferdestall gibt es Ratten? Die werden natürlich vergiftet!

Die Einstellung zu Tieren hängt auch davon ab, wie nahe sie uns stehen. Doch immer mehr Menschen hinterfragen diese Haltung. Tierwohl ist längst ein politisches Thema. Doch von einem Konsens, wie Tiere behandelt werden sollen, ist unsere Gesellschaft weit entfernt.

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Sendung als Podcast

Download Funkkolleg Biologie und Ethik (21), MP3-Audioformat, 25:22 Min., 46.4 MB

Sendung in hr-iNFO: 21.04.2018, 11:30 Uhr

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Zusatzmaterial

  1. Geschichte des Tierschutzes
  2. Artgerechte Haltung von Nutz- und Haustieren
  3. Massentierhaltung
  4. Tierhaltung, Landwirtschaft und Gülle

1. Geschichte des Tierschutzes

Hunde, Pferde, Hühner oder Kühe begleiten den Menschen bereits seit vielen Jahrhunderten als Jagdhelfer, Lastenträger oder Fleischlieferant. Der Schutz dieser Tiere ist auch gesetzlich (im GG) verankert. Seine Geschichte in Deutschland reicht bis ins Jahr 1819 zurück. Die wichtigsten Etappen der Geschichte des Tierschutzes seien hier aufgelistet:

  • 1822: England erlässt das erste Tierschutzgesetz der Neuzeit. Der Parlamentarier Richard Martin unterstützt und treibt das Gesetz voran. Zwei Jahre später ist er Gründungsmitglied der Tierschutzorganisation „Society for the Prevention of Cruelty to Animals„.
  • 1837: Nach dem Tod des Stuttgarter Stadtpfarrers Christian Adam Dann, der in seiner Schrift „Bitte der armen Thiere“ (1817) für eine würdige Behandlung der Tiere plädierte, gründet sein Nachfolger, Albert Knapp, den ersten deutschen Tierschutzverein in Stuttgart und Cannstadt.
  • In der Folgezeit entstehen in vielen deutschen Städten weitere Vereine.
  • 1881: Der Dachverband „Deutscher Tierschutzbund“ wird gegründet. Er arbeitet heute mit anderen europäischen Tierschutzorganisationen in der „Eurogroup for Animal Welfare“ (Gründung 1980; http://www.eurogroupforanimals.org/)
  • Das nationalsozialistische Regime nimmt den Gedanken des Tierschutzes auf. Nur wenige Monate nach der „Machtergreifung“ im Januar 1933 wird das erste deutsche Tierschutzgesetz („Reichstierschutzgesetz„) verabschiedet. Nach dem Krieg wird die Tierschutzgesetzgebung des NS-Regimes in beiden deutschen Staaten übernommen.
  • Inzwischen ist der Tierschutz in Deutschland im Grundgesetz verankert.

Weiterführende Literatur

  • Roscher, M (2012). Tierschutz- und Tierrechtsbewegung – ein historischer Abriss. Bundeszentrale für politische Bildung Online [aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 8-9/2012)] (http://www.bpb.de/apuz/75820/tierschutz-und-tierrechtsbewegung-ein-historischer-abriss?p=all)
  • Wolf, U & Tuider, J (2014). Tierethische Positionen. Bundeszentrale für politische Bildung Online (http://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/bioethik/176364/tierethische-positionen?p=all)
  • Plasse, W (2012). Tierschutz in Deutschland: Eine Chronologie. GEO Online (https://www.geo.de/natur/3391-rtkl-tierschutz-tierschutz-deutschland-eine-chronologie)
  • Zeter, K (2017). Geschichte des Tierschutzes. Planet Wissen Online (https://www.planet-wissen.de/natur/tier_und_mensch/tiere_im_heim/pwiegeschichtedestierschutzes100.html)
  • Baranzke, H (2002). Würde der Kreatur? Die Idee der Würde im Horizont der Bioethik. Würzburg: Königshausen & Neumann.
  • Bressler, HP (1997). Ethische Probleme der Mensch-Tier-Beziehung. Eine Untersuchung philosophischer Positionen des 20. Jahrhunderts zum Tierschutz. Frankfurt am Main [u.a.]: Lang.
  • Grimm, H (Hrsg.) (2012). Das Tier an sich. Disziplinenübergreifende Perspektiven für neue Wege im wissenschaftsbasierten Tierschutz. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Händel, UM (Hrsg.) (1984). Tierschutz. Testfall unserer Menschlichkeit. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag.
  • Precht, RD (2016). Tiere denken. Vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen. München: Goldmann.
  • Altner, H (1985). Tierschutz und Tierversuche. Probleme und Lösungsansätze. Naturwissenschaften 72(2): 57-61.
  • Fischer, M (2008). Personifizierung, Objektivierung und die Logik der Kontrolle: zum Subjektstatus von Tieren in Tierstrafen, Tierprozessen und Tierschutz. In: Rehberg, KS (Hrsg.). Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) (Hrsg.). Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2. Frankfurt: Campus, 5151-5168. (PDF)
  • von Gall, P (2016). Tierschutz als Agrarpolitik. Wie das deutsche Tierschutzgesetz der industriellen Tierhaltung den Weg bereitete. Bielefeld: transcript.
  • Schmitz, F (2016). Rezension von Philipp von Galls „Tierschutz als Agrarpolitik. Wie das deutsche Tierschutzgesetz der industriellen Tierhaltung den Weg bereitete“, in: Zeitschrift für philosophische Literatur 4(3): 11-19. (PDF)

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2. Artgerechte Haltung von Nutz- und Haustieren

Im Kontext der Überlegungen zu einer artgerechten Haltung von Tieren (seien es Nutz- oder Haustiere), ist es gut, im Hinterkopf zu haben, dass die Domestizierung von Wildtieren erst vor ca. 10.000 Jahren ihren Lauf nahm. Unter Domestizierung versteht man nicht die einfache Zähmung von Wildtieren, sondern den gezielten Prozess, Wildtiere so zu züchten, dass bestimmte genetische Eigenschaften, die der Mensch als vorteilhaft oder ästhetisch erachtet, verstärkt werden.

Je nach Tierart können dies ganz unterschiedliche Eigenschaften oder Kombinationen dessen sein. Nichtsdestotrotz haben selbstverständlich auch seit Generationen domestizierte Tierarten noch eine Reihe ursprünglicher, artspezifischer Eigenschaften, Bedürfnisse und Verhaltensmuster.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bietet auf seinen Internetseiten sehr ausführliche Informationen zur artgerechten Tierhaltung an. Dort wird weiter verlinkt zu Kapiteln über Tiergesundheit, Nutztierhaltung und Haus- und Zootierhaltung.

Ebenso findet man Informationen zur seit 2016 bestehenden Tierschutzkommission, die das Bundesministerium berät. Am Ende jeder Seite findet man Hinweise zu Presseartikeln, weiterführenden Links und Publikationen sowie auch Rechtsgrundlagen (soweit vorhanden).

https://www.bmel.de/DE/Tier/tier_node.html

Haustiere:

Das deutsche Tierschutzgesetz aus dem Jahr 2012 beinhaltet keine spezifische Verordnung zur artgerechten Haltung von Heimtieren. Dies wird von vielen Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen dringend gefordert, hauptsächlich werden folgende Punkte angeführt, die zum Wohl der Haustiere geregelt werden sollten:

  1. Rechtlicher Schutz für alle Tiere in Privathaltung, im Zoohandel und im Zuchtbetrieb
  2. Haltungsverordnung für alle „Heimtiere“
  3. Bundesweite Einführung eines Hundeführerscheins für Hundehalter
  4. Sachkundenachweis/Eignung des Tierhalters
  5. Ausbildungsverordnung für Mitarbeiter des Zoohandels
  6. Verbot der Wildtierhaltung in Privathaushalten
  7. Verbot von „Exotenbörsen“ und Vogelausstellungen
  8. Massive Eindämmung der Zucht aller „Heimtiere“
  9. Verbot von „Qualzuchten“

In der Haustierdatenbank gibt es Tipps und Anleitungen für die Tierhaltung der beliebtesten Haustiere:

https://www.haustier-berater.de/haustierdatenbank/

Auch der Deutsche Tierschutzbund e.V. stellt Broschüren zur artgerechten Haltung verschiedenster Haustiere zur Verfügung:

https://www.tierschutzbund.de/information/service/publikationen/broschueren/

Nutztiere:

Bei den Nutztieren ist der Fall schwierig gelagert, da sie auf eine Art Teil einer finanziellen Wertschöpfungskette sind, die durch ein einschlägiges, mehrheitliches Verbraucherverhalten gesteuert wird. Dem gesellschaftlichen Druck nach mehr „Tierwohl“ der Nutztiere wird jedoch vermehrt nachgegangen, wie sich auf den Seiten der Tierwohl-Initiative des BMEL erfahren lässt. Z.B. zur Projektförderung zu nachhaltiger Tierhaltung, zum staatlichen Tierwohl-Label, zum Beratungsgremium „Kompetenzkreis Tierwohl“, etc.:

https://www.bmel.de/DE/Tier/Tierwohl/tierwohl_node.html

Dort auch unter Publikationen eine Veröffentlichung zum Thema „Von der Forschung in die Praxis: Gute Beispiele der Nutztierhaltung“ mit Stand Januar 2018.

https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/Tierwohl_MuD.pdf?__blob=publicationFile

Eine Sendung aus der Schulfernsehen-Reihe des Bayrischen Rundfunks mit dem Titel „Die Rechte der Tiere“ ist in der Mediathek abrufbar. Hier geht es gleichermaßen um die Züchtung wie Haltung von Nutztieren. Einen erläuternden Einleitungstext und den Link zur Sendung findet man hier:

https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/schulfernsehen/tierrechte-tierhaltung-tierzucht-100.html

Der Deutsche Tierschutzbund e.V. gibt ebenfalls Hinweise zu den Bedürfnissen und einer daraus abgeleiteten artgerechten Haltung von Nutztieren in der Landwirtschaft:

https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/

Auf europäischer Ebene ist die European Food Safety Authority, kurz „EFSA“, in diesem Zusammenhang zu nennen, denn „die Sicherheit der Lebensmittelkette wird indirekt durch das Wohlergehen der Tiere beeinflusst, insbesondere jener Tiere, die zur Lebensmittelerzeugung gehalten werden“. Auf der folgenden Seite wird zu Informationen zur EU Tierschutzstrategie und zu den wichtigsten Tierschutzvorschriften der EU verlinkt. Ebenso zur World Organisation for Animal Health.

https://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/animalwelfare

Das Heinrich-von-Thünen Institut (Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei) bietet ein Dossier zum Thema „Wie tiergerecht ist die Nutztierhaltung?“ auf seinen Seiten an, auf denen auch auf die weiterführende wissenschaftliche Literatur hingewiesen wird:

https://www.thuenen.de/de/thema/nutztiershyhaltung-und-aquakultur/wie-tiergerecht-ist-die-nutztierhaltung/

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3. Massentierhaltung

Als Massentierhaltung (Intensivhaltung oder Intensivtierhaltung) bezeichnet man die Haltung einer großen Anzahl von Nutztieren gleicher Art (Schweine, Hühner, Rinder) auf begrenztem Raum zugunsten der rationellen, industriellen Produktion von Lebensmitteln (Fleisch, Eier, Milch). Charakteristisch für die Massentierhaltung sind neben der Konzentration vieler Einzeltiere auf geringem Raum:

  • ein möglichst geringer Arbeitsansatz zur Versorgung und Fütterung der Tiere
  • häufiger Generationenwechsel
  • Einsatz kostensparender, mechanischer Einrichtungen zur Fütterung, Versorgung und Entsorgung
  • produktionsfördernde Maßnahmen (z.B. der Einsatz von Masthilfsmitteln zum Zwecke der Erhöhung der Muskelmasse der Tiere)
  • Verwendung von Antibiotika, die das Risiko resistenter Bakterien erhöhen
  • Verfütterung von hochwertigem Zukaufsfutter

Zudem werden die arteigenen Bedürfnisse der Tiere in der Intensivhaltung außer Acht gelassen. Die Tiere leben in Käfigen oder Stallungen, die ihre Bewegungsmöglichkeit erheblich einschränken. Dadurch wird ihre natürliche Verhaltensweise ausgeschaltet.

Weiterführende Literatur zum Thema Massentierhaltung:

Anbei einige Videos zum Thema Massentierhaltung und ihrer Probleme:

1. Massentierhaltung – Ein Huhn für 2,35 Euro? (2011) 10 Min. Quelle: WDR (Video)

2. Lieferant von McDonald’s: Schlachthof in Düren soll Tierschutz-Standards missachten (2017). 7 Min. Quelle: BR (Video)

3. Massentierhaltung – Schluss mit Massentierhaltung (2015). 45 Min. Quelle: SWR (Video)

4. Tierfabrik Deutschland. Von Billigfleisch und Wegwerfküken (2015). 43 Min. Quelle: ZDF (Video)

5. Wie Schweine in der Massentierhaltung gequält werden (2017). 7 Min. Quelle: MDR (Video)

6. Hinter der Fassade der Fleischindustrie (2017). 7 Min. Quelle: MDR (Video)

7. Wenig Verbesserung für Tierschutz und Verbraucher (2017). 7 Min. Quelle: BR (Video)

8. Ausbeutung von Schlachtern (2015). 6 Min. Quelle: SWR (Video)

9. Tierwohllabel: ein Ausweg aus der Massentierhaltung? (2017). 6 Min. Quelle: Das Erste (Video)

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4. Tierhaltung, Landwirtschaft und Gülle

Bei der intensiven Landwirtschaft entstehen Tonnen von Gülle, Mist und Jauche. Als Dünger erfüllt Gülle durchaus eine wertvolle Aufgabe. Pflanzen benötigen den darin enthaltenen Stickstoff zum optimalen Wachsen.

In Maßen ist Gülle unbedenklich. Im Boden wird allerdings Stickstoff in Nitrat umgewandelt und was Pflanzen nicht aufnehmen, versickert im Boden oder wird durch Regen fortgeschwemmt. Auf diese Weise gelangt Nitrat ins Grundwasser. Wird nun Gülle im Übermaß ausgebracht, entstehen folgende Probleme:

  • Eutrophierung in Gewässern, die ein massives Wachstum von Algen verursacht. Diese nehmen Fischen und anderen Wasserlebewesen den Sauerstoff.
  • Erhöhung der Nitrat-Konzentration im Grundwasser
  • Übertragung gefährlicher Krankheitserreger (z.B. EHEC-Stämme) beim Ausbringen von Gülle im Gemüseanbau

Weiterführende Literatur und Materialien

Gülle: Gold der Bauern oder Umweltdesaster? (2017). 44 Min. Quelle: BR (Video)

Gülle – Gefahr für unser Trinkwasser (2017). 60 Min. Quelle: WDR (Video)

Biogas – Von der Gülle ins Netz (2018) 28 Min. Quelle: NDR (Video)

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Zusatzmaterialien als PDF zum Herunterladen

Die Materialien wurden zum Zugriffszeitpunkt 18.04.2018 erstellt von: Volker Mosbrugger, Sybille Roller und Francesco Lupusella.