Autorin: Christina Sartori
Gentests to go: Was wollen wir wissen, was sollen wir tun?
Der Blick in unsere Gene wird immer einfacher, preisgünstiger und schneller. Firmen bieten an, anhand einer Genanalyse Krankheitsrisiken vorherzusagen: Wie sieht es aus mit dem Risiko für Brust- oder Darmkrebs, für Diabetes, Alzheimer und Schlaganfall? Ebenso kann man sein Genom daraufhin untersuchen lassen, welche Diät am besten geeignet ist.
Ethikerinnen und Ethiker betrachten diese Angebote mit großer Skepsis. Denn die Interpretation der Daten ist sehr viel komplizierter, als es oft dargestellt wird – und selten sind die Ergebnisse eindeutig. Und was dürfen und sollen zum Beispiel Eltern über das Genom ihrer Kinder wissen? Und wie wird deren Recht auf Nicht-Wissen geschützt?
Sendung als Podcast
Download Funkkolleg Biologie und Ethik (12), MP3-Audioformat, 27:59 Min., 25.6 MB
Sendung in hr-iNFO: 03.02.2018, 11:30 Uhr
Zusatzmaterial
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- Familiärer Brustkrebs – BCRA1, BCR2 und andere Brustkrebsgene
- Erbgut-Analyse zur Prognose von Krankheitsrisiken und deren Aussagekraft
- Entzifferung des menschlichen Genoms, Artikel in Science und Nature 2001
- Gendiagnostikgesetz, Beratungspflicht, Recht auf Nichtwissen
- Ethische Aspekte
- Chorea Huntington
- Epigenetik und Gesundheit
- Pränatale Diagnostik und Gentests – Konsequenzen
- Pharmakogenetische Gentests
1. Familiärer Brustkrebs – BCRA1, BCR2 und andere Brustkrebsgene
Laut der Statistik des Zentrums für Krebsregisterdaten gibt es in Deutschland jährlich ca. 70 000 Neuerkrankungen an Brustkrebs. Etwa ein Viertel der Patientinnen stirbt jedes Jahr an den Folgen des Brustkrebses.
Wenn ein Verdacht auf erblichen Brust- oder Eierstockkrebs in der Familie besteht, kann ein Gentest von den Krankenkassen finanziert werden. Ein Risikotest kostet die Krankenkasse mind. 3000 und bis zu 6000 Euro. Die Kosten sinken auf nur einige 100 Euro, wenn bereits ein Familienmitglied getestet ist – dann kann die Suche gezielter ablaufen.
Das Zentrum für Krebsregisterdaten nennt auf seiner Statistik-Seite zu Brustkrebsfällen in Deutschland den prozentualen Anteil der familiär bedingten Brustkrebsfälle pro Jahr, die auf einer Veränderung der Brustkrebsgene BRCA 1 und 2 beruhen: dies sind 5-10%.
https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Brustkrebs/brustkrebs.html
Auf den Seiten der BRCA-Netzwerks, einer Selbsthilfeeinrichtung für Frauen mit familiär bedingtem Brustkrebs- und Eierstockkrebs, werden Risikofaktoren, Einschlusskriterien, Erklärungen zu den möglichen Gentests und Hinweise zu weiterführender Literatur gegeben.
Zum Beispiel gelangt man hier zur Broschüre zu erblichem Brustkrebs, in welcher patientinnenorientiert beraten und erklärt wird. Zudem enthält die Broschüre Statistiken zur Erkrankungswahrscheinlichkeit unterschiedlich alter BRCA1 und -2 Trägerinnen. Außerdem werden Brustkrebs-Erkrankungswahrscheinlichkeiten bei weiteren bekannten Genmutationen gelistet. Ab Seite 24 werden weitere Statistiken zu den Hochrisikogenen BRCA1 und -2 genannt und erläutert, dass leider nur „für rd. 25% der Tests eindeutige pathogene BRCA-Mutation nachgewiesen und somit die Ursache der Brust- und oder Eierstockerkrankungen eindeutig geklärt werden konnte“.
Weiterführende Literatur
- https://www.stern.de/tv/krebs-diagnose–fragen-und-antworten-zur-brustamputation-aus-vorsorge-3435720.html
- Daniels, MS & Lu KH (2016). Genetic predisposition in gynecologic cancers. Semin Oncol 43 (5): 543-547. (DOI: 10.1053/j.seminoncol.2016.08.005)
- Deutsches Ärzteblatt Online (2015). BRCA1 und BRCA2: Lage der Mutation bestimmt Krebsrisiko. (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/62411/BRCA1-und-BRCA2-Lage-der-Mutation-bestimmt-Krebsrisiko)
- Engel, C/ Zachariae, S/ Fischer, C (2015). Familiärer Brustkrebs – empirische Erkrankungsrisiken und Risikoberechnungsmodelle. medgen 27 (2): 217-222. (DOI: 10.1007/s11825-015-0043-5) (PDF)
- Feldwisch-Dentrup, H (2014). Ich habe das Brustkrebsgen – und nun? Tagesspiegel Online (http://www.tagesspiegel.de/wissen/umgang-mit-gentests-ich-habe-das-brustkrebsgen-und-nun/10996340.html)
- Zylka-Menhorn, V (2013). Risiko Familiärer Brustkrebs. Jeder Fall ist anders zu bewerten. Dtsch Arztebl 110 (21): A-1020 / B-896 / C-887 (PDF)
- SPIEGEL Online (2013). Genetisches Brustkrebsrisiko Wann eine vorbeugende Amputation sinnvoll ist. (http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/brustkrebsrisiko-wann-eine-vorbeugende-amputation-sinnvoll-ist-a-899712.html)
- Strebhardt, K & Faltus, T (2005). Geniale Abschalter für Brustkrebsgene. Hemmung des Turmorwachstums durch RNA-Interferenz. Forschung Frankfurt 1: 58-62. (http://www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/36050112/)
- DAZ Online (2005). Familiärer Brustkrebs: Zur Früherkennung MRT besser als Mammographie? DAZ 32: 32. (https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2005/daz-32-2005/uid-14409)
- Grischke, EM (2000). Brustkrebs – ein genetischer Unfall? Forschungsmagazin Ruperto Carola, Ausgabe 1/2000 (http://www.uni-heidelberg.de/presse/ruca/ruca1_2000/grischke.html)
- Venkitaraman, AR (2000). The Breast Cancer Susceptibility Gene, BRCA2: At the Crossroads between DNA Replication and Recombination? Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci 355 (1394): 191-198. (DOI:10.1098/rstb.2000.0558) (PDF)
- Chen, Y et al. (1995). Aberrant Subcellular Localization of BRCA1 in Breast Cancer. Science 270 (5237): 789-791. (DOI: 10.1126/science.270.5237.789) (PDF)
- Futreal, PA et al. (1994). BRCA1 Mutations in Primary Breast and Ovarian Carcinomas. Science 266 (5182): 120-122. (DOI: 10.1126/science.7939630) (PDF)
- Wooster, R et al. (1995). Identification of the breast cancer susceptibility gene BRCA2. Nature 378 (6559): 789-792. (DOI: 10.1038/378789a0) (PDF)
- Biglia N et al. (2016). Breast cancer treatment in mutation carriers: surgical treatment. Minerva Ginecol. 2016 Oct;68(5):548-56.(PDF)
2. Erbgut-Analysen zur Prognose von Krankheitsrisiken und deren Aussagekraft
Eine allgemeine, aber auch detaillierte Übersicht über das gesamte Thema der Prädiktiven genetischen Testverfahren findet man auf den Seiten des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften. Insbesondere die weiterführende Verlinkung auf die „Module“ bietet einen breiten Einstieg in die mit Gentests verbundenen Begrifflichkeiten und verweisen auf fachnahe Themen.
http://www.drze.de/im-blickpunkt/praediktive-genetische-testverfahren
Ebenfalls eine breite, aber eine patientenbezogene Herangehensweise an das Thema bietet sich hier: „Das Deutsche Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs ist ein deutschlandweiter Verbund von 17 universitären Zentren, mit dem Ziel, Ratsuchende bzw. Patientinnen mit einer familiären Belastung für Brustkrebs und Eierstockkrebs bundesweit optimal zu betreuen.“
http://www.konsortium-familiaerer-brustkrebs.de
Das Dt. Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs hat für die Analyse von Risikogenen für das familiäre Mamma- und Ovarialkarzinom ein Multigen-Panel (TruRisk® https://www.konsortium-familiaerer-brustkrebs.de/molekulare-diagnostik/trurisk-gen-analyse/ ) etabliert, das derzeit die Kerngene („core genes“) ATM, BRCA1, BRCA2, CDH1, CHEK2, NBN, PALB2, RAD51C, RAD51D und TP53 enthält, sowie weitere Gene, die aus aktuellen Forschungsarbeiten hervorgegangen sind und noch validiert werden müssen.
Fachliteraturempfehlungen des Dt. Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs (sämtlich in englischer Sprache):
https://www.konsortium-familiaerer-brustkrebs.de/publikationen/2017/
Schon 2013 berichtete Die ZEIT über Risiken kommerziell vertriebener Gentests:
http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2013-11/gentest-23andme-fda-warnung
Das Deutsche Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) setzte sich im aktuellen Online-Blickpunkt „Prädiktive genetische Testverfahren“ umfassend mit den medizinisch-naturwissenschaftlichen, den rechtlichen wie auch den ethischen Aspekten prädikitiver Gentests auseinander. Auch die verschiedenen Arten prädiktiver Testverfahren werden erläutert.
Auf dem Portal wissensschau.de findet sich eine ausführliche Darstellung der Aussagekraft von Gentests: für welche Erkrankungen kann ein Gentest wichtige Informationen liefern, wo sind sie sinnlos oder auch schädlich, und was ist von den Leistungen kommerzieller Gentest-Anbieter zu halten?
https://www.wissensschau.de/genom/gentest_medizin_erbkrankheiten_risikofaktoren.php
Weiterer Literaturhinweis:
Propping, Peter / Aretz, Stefan / Schumacher, Johannes / Taupitz, Jochen / Guttmann, Jens / Heinrichs, Bert (2006): Prädiktive genetische Testverfahren. Naturwissenschaftliche, rechtliche und ethische Aspekte. Ethik in den Biowissenschaften – Sachstandsberichte des DRZE, Bd. 2. Freiburg i. Br.: Alber.
3. Entzifferung des menschlichen Genoms, Artikel in Science und Nature
In der angesehenen Fachzeitschrift Nature erscheint 2001 ein Bericht über die fast vollständige Sequenzierung des menschlichen Genoms, geleitet von Francis Collins, finanziert durch öffentliche Gelder. Gleichzeitig erscheint bei der Konkurrenz, der Fachzeitschrift Science, ein Bericht über die fast vollständige Entzifferung des menschlichen Genoms: Durch eine private Firma, Celera Genomics, geleitet von Craig Venter.
Das Buch „Die Sequenz: Der Wettlauf um das menschliche Genom“ von Kevin Davies und Anja Hansen-Schmidt (Hanser, 2001) beschreibt den Wettlauf um die Entschlüsselung und Veröffentlichung des menschlichen Genoms.
Siehe hierzu auch das Begleitmaterial zur ersten Sendung:
https://funkkolleg-biologie.de/themen/01-leben-als-projekt/#Human_Genome_Project
Siehe auch den Artikel zur Sequenzierung des menschlichen Genoms auf dem Portal wissensschau.de, mit etlichen weiterführenden Links, v.a. auch zur Bedeutung und Aktivität der früher als „DNA-Schrott“ erachteten nicht-codierenden Bereiche:
https://www.wissensschau.de/genom/genome_und_gene.php
4. Gendiagnostikgesetz, Beratungspflicht, Recht auf Nichtwissen
Das sogenannte Gendiagnostikgesetz (kurz: GenDG) heißt offiziell „Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen“ und trat am 31. Juli 2009 in Kraft. Es wurde Ende des Jahres 2016 das letzte Mal geändert. Die Paragraphen 7 bis 16 in Abschnitt 2 regeln die Gesetzeslage der genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken.
https://www.gesetze-im-internet.de/gendg/BJNR252900009.html
Eine gut verständliche Zusammenfassung der Inhalte findet man auf den Infoseiten des Bundesgesundheitsministeriums. Von dort wird auch weiter verwiesen zur Gendiagnostik-Kommission, die u.a. für die Entwicklung von Richtlinien zur praktischen und weiteren Auslegung des GenDG zuständig ist.
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/g/gendiagnostikgesetz.html
Die Gendiagnostik-Kommission wurde infolge des Inkrafttretens des Gendiagnostikgesetzes im Jahr 2009 berufen und ist interdisziplinär zusammengesetzt. Ihr Auftrag liegt in der „Beurteilung genetischer Eigenschaften in verschiedenen medizinischen Zusammenhängen, den Anforderungen an die Qualifikation, die für bestimmte Tätigkeiten nach dem Gesetz erforderlich sind, Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung und genetischen Beratung sowie an die Durchführung genetischer Analysen genetischer Proben, Anforderungen an die vorgeburtliche Risikoabklärung und an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen.“ Die vorhandenen, im Zusammenhang mit dem Gesetz geltenden Richtlinien stehen hier zum Download bereit:
https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/Richtlinien_node.html
Eine umfassende Betrachtung des deutschen Gendiagnostikgesetzes bietet das Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften. Unter 2.) werden Richtlinien und Stellungnahmen genannt (Bundesärztekammer, Deutscher Ethikrat sowie Enquete Kommission) und unter 3.) kurz auf internationale Regelungen eingegangen.
Die Ergebnisse eines Gentests können – je nach Art der Analyse – auch Informationen über den/die PatientIn erbringen, die über die konkrete Fragestellung des aktuellen Anlasses für den Test hinausgehen, sogenannte „Überschussinformationen“.
Der erste Tätigkeitsbericht der Gendiagnostik Kommission behandelt die Jahre 2009-2012.
Unter Kapitel 3 und 4 wird sich z.B. den Themen „Umgang mit Ergebnissen genetischer Untersuchungen, die nicht dem Untersuchungszweck unterliegen („unerwartete genetische Eigenschaften“)“ sowie „Ergebnisse genetischer Untersuchungen mit Bedeutung für verwandte Personen“ gewidmet (ab Seite 19).
Darin wird unter Kapitel 3 das Resumée gezogen:
„Die GEKO hat in ihrer Richtlinie für die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung bei genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken gemäß §23 Abs.2 Nr. 3 GenDG im Falle des Einsatzes von „ungezielten“ Untersuchungsmitteln, welche unerwartete genetische Eigenschaften feststellen können, eine allgemeine Aufklärung für ausreichend gehalten, bei der auf die Möglichkeit unerwarteter Befunde deutlich hingewiesen wird.“
Und unter Kapitel 4 wird für den Umgang mit „unerwarteten, medizinisch relevanten genetischen Eigenschaften“, also Wissen aus sogenannten Überschuss-, Zufalls- oder Nebenbefunden folgendes Resumée gezogen:
„Es bleibt, wenn möglich im europäischen Konsens, zu klären, wie das Verhältnis der widerstreitenden Interessen des Rechts auf Wissen und des Rechts auf Nichtwissen, also das Verhältnis von Mitteilung von „Zufallsbefunden“ zum Verschweigen von „Zufallsbefunden“, zu sehen ist. Die GEKO wird sich weiter intensiv mit dieser Fragestellung befassen. Hier sei auch auf Teil III dieses Tätigkeitsberichts verwiesen.“
In dem 1999 in Kraft getretenen europäischen Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin – MRB wird die Notwendigkeit der Einwilligung des Patienten nach erfolgter Aufklärung gefordert:
https://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/164
Im November 2008 wurde ein Zusatzprotokoll betreffend Gentests zu gesundheitlichen Zwecken verabschiedet, in dem es um den Zugang zu genetischen Tests, die Information und genetische Beratung sowie die Zustimmung zur Durchführung von Gentests geht:
https://www.coe.int/en/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/203
Im DRZE-Blickpunkt wird auch die Kritik der Bundesärztekammer (und medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften) sowie der Nationalen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) am Gendiagnostikgesetz zusammengefasst und auf die entsprechenden Stellungnahmen verwiesen:
http://www.drze.de/im-blickpunkt/praediktive-genetische-testverfahren/module/kritik-am-gendiagnostikgesetz
Mit der Bedeutung des Schutzes des Einzelnen vor der Kenntnis seiner eigenen genetischen Disposition und vor der Verwendung seiner genetischen Daten und Proben durch Dritte beschäftigt sich das im der MedR Schriftenreihe Medizinrecht erschienene Buch von Cosima Vossenkuhl „Der Schutz genetischer Daten“ (2013). Das Buch erläutert die geltende Rechtslage und zeigt anhand noch bestehender Defizite die Schwerpunkte der künftigen Diskussion über die Gendiagnostik auf (Springer, DOI 10.1007/978-3-642-35192-1_2)
5. Ethische Aspekte
Die Stellungnahme des Ethikrates „Die Zukunft der genetischen Diagnostik – von der Forschung in die klinische Anwendung“ aus dem Jahr 2013 enthält eine ausführliche Beschreibung der aktuellen Methoden für genetische Analysen, deren Aussagekraft sowie des rechtlichen Rahmens für die einzelnen Test-Szenarien. Ab Seite 112 werden die ethischen Aspekte und Herausforderungen behandelt. Einleitende Worte sind:
„Sie (die Herausforderungen) berühren drei zentrale ethische Problemfelder: erstens Fragen des Krankheits- und Gesundheitsverständnisses (vgl. Abschnitt 4.2.1), zweitens den Themenkomplex Autonomie, Selbstbestimmung und Verantwortung (vgl. Abschnitt 4.2.2), und drittens gesellschaftliche Aspekte, insbesondere Gerechtigkeit und Solidarität (vgl. Abschnitt 4.2.3).“
http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/stellungnahme-zukunft-der-genetischen-diagnostik.pdf
Das Deutsche Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) stellt folgende Kurzinfo über die (sich aus dem allgemeinen Recht ableitende) informationelle Selbstbestimmung im Bezug auf Gentest-Ergebnisse bereit:
Weitere Literatur zu dem komplexen Thema des Rechts auf Wissen und Nichtwissen:
- Fündling, C (2017). Recht auf Wissen vs. Recht auf Nichtwissen in der Gendiagnostik. 1. Aufl. Baden-Baden: Nomos.
- Schroeder, A (2015). Das Recht auf Nichtwissen im Kontext prädiktiver Gendiagnostik. Eine Studie zum ethisch verantworteten Umgang mit den Grenzen des Wissens. Wiesbaden: Springer.
- Honnefelder, L (Hrsg.) (2003). Das genetische Wissen und die Zukunft des Menschen. Berlin [u.a.]: de Gruyter.
Auf der Seite des DRZE finden Sie auch eine kompakte Übersicht über die ethischen Aspekte prädiktiver genetischer Testverfahren: http://www.drze.de/im-blickpunkt/praediktive-genetische-testverfahren/ethische-aspekte.
Wie die Vorgänge der rein medizinischen Gentest-Praxis auf ein Feld offener ethischer Fragen treffen, wird deutlich, wenn man die Involvierung des Deutschen Ethikrates betrachtet. Der deutsche Ethikrat hat ein Papier verfasst, in dem Empfehlungen zur Kostenübernahme genetischer Untersuchungen zur genetischen Diagnostik von Krankheiten und zur Therapieplanung erörtert werden:
http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/huster-gutachten-gendiagnostik.pdf
z.B. auf Seite 43 ff:
„Als weitere Möglichkeit zur Erbringung genetischer Untersuchungen besteht auch hier die Möglichkeit des Abschlusses von Selektivverträgen, um Leistungen z.B. im Rahmen von familiären Brustkrebs- und Darmkrebserkrankungen für bereits Erkrankte sowie Risikopersonen zu erbringen (IV).“
„Bei der Frage, ob sonstige genetische Untersuchungen von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein können, kann zwischen diagnostischen und prädiktiven genetischen Untersuchungen unterschieden werden.“
Auch erfolgt eine Erläuterung der möglichen Anspruchsarten für die Durchführung eines Gentests bei einem Patienten und weiter diskutiert werden die Gründe dafür, dass der Krankheitsbegriff aufgrund des Fortschritts auf dem Gebiet der Humangenetik (und der daraus erwachsenden Analyse und Behandlungsmöglichkeiten dringend einer Neudefinition bedarf.
Die Generaldirektion Forschung und Innovation der Europäischen Kommission bietet unter ihren Veröffentlichungen auch eine Broschüre mit 25 Empfehlungen zu den ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen von Gentests an:
Weitere Artikel:
- Bahnsen, U (2013). Willst du das wirklich wissen? ZEIT Online (http://www.zeit.de/zeit-wissen/2013/04/gentest-erkrankung-gefahr)
- Volker, H (2017). Gentests in der Medizin – vorbeugen und therapieren. Wissenschau (https://www.wissensschau.de/genom/gentest_medizin_erbkrankheiten_risikofaktoren.php)
6. Chorea Huntington
Im Jahre 1872 beschrieb der Georg Huntington eine unheilbare Nervenkrankheit, die sich unter anderem in tanzartigen (chorea = griech.: Tanz) Verrenkungen der Extremitäten äußerte. Chorea Huntington (früher auch als erblicher Veitstanz bezeichnet) ist eine genetisch bedingte, neurologische Erkrankung, die autosomal-dominant vererbt wird.
Der krankheitsverursachende Gendefekt befindet sich im Huntingtin-Gen (HTT) auf Chromosom 4 (4 p 16.3). Das Huntingtin-Gen enthält einen Sequenzabschnitt, der nur aus Wiederholungen der Basen CAG besteht und für die Aminosäure Glutamin codiert (vgl. genetischer Code).
Bei gesunden Personen finden sich 5 bis 35, bei betroffenen Personen 36 bis über 100 Wiederholungen, die im Protein zu entsprechend langen Poly-Glutamin-Sequenzen führen. Je höher die Anzahl der Wiederholungen, desto früher setzt in der Regel die Huntington-Krankheit ein.
Die erkrankte Person besitzt normalerweise nur ein verändertes Huntington-Allel und ist somit auch Träger einer unveränderten Genkopie. Die Krankheit wird autosomal dominant vererbt, d.h. wenn die von der Erkrankung betroffene Person die dafür verantwortliche Erbanlage an ein Kind weitergibt, wird das Kind im Laufe seines Lebens an Huntington erkranken.
Nachkommen erkranken nur dann nicht , wenn das unveränderte Gen des Erkrankten vererbt wird. Kinder von Betroffen tragen also ein Risiko von 50 %, die zur Erkrankung führende Genveränderung geerbt zu haben.
Die Deutschen Huntington-Hilfe spricht auf ihrer Webseite auch prädiktive Gentests und deren Aussagekraft an und empfiehlt aufgrund der erheblichen psychischen und sozialen Tragweite dringend eine vorhergehende Beratung:
https://www.dhh-ev.de/Diagnose-und-Gentest
https://www.youtube.com/watch?v=IuSaXiRVqg0
- Cattaneo, E/ Rigamonti, D/ Zuccato, C (2004). Das Rätsel der Chorea Huntington. Spektrum der Wissenschaften 01: 60-66. (PDF)
- Süßmuth, SD et al. (2013). Neues zur Huntington-Krankheit. Akt Neurol 40: 377-392. (DOI: 10.1055/s-0033-1345194) (PDF).
- Lanska, DJ (2000). George Huntington (1850-1916) and Hereditary Chorea. J Hist Neurosci 9 (1): 76-89. (DOI: 10.1076/0964-704X(200004)9:1;1-2;FT076)
- Lanska, DJ (1995). George Huntington and hereditary chorea. J Child Neurol 10 (1): 46-48. (DOI: 10.1177/088307389501000112) (PDF).
- Huntington, G (2003[1872]). On chorea. J Neuropsychiatry Clin Neurosci 15 (1): 109-112. (DOI: 10.1176/jnp.15.1.109) (PDF)
- Hödl, AK & Bonelli, RM (2005). Chorea Huntington – Ätiologie, Klinik und Therapie. Psychiatrie & Psychotherapie 1/1: 9-15. (DOI: 10.1007/s11326-005-0001-y) (PDF)
- http://www.drze.de/im-blickpunkt/praediktive-genetische-testverfahren/module/chorea-huntington
- Hircin, E (2017). Chorea Huntington. DocCheck (http://flexikon.doccheck.com/de/Chorea_Huntington)
- https://lehrerfortbildung-bw.de/u_matnatech/bio/gym/bp2004/fb3/4_klasse9_10/10_lz_erb/chorea/
7. Epigenetik und Gesundheit
Zur Epigenetik siehe auch Funkkolleg-Folge 4 – Epigenetik: wie Umwelt und Verhalten Gene steuern.
Prädiktive Gentests sind nur bedingt aussagekräftig, was das tatsächliche Risiko des Auftretens der entsprechenden Krankheiten anbelangt. Denn die Entstehung dieser multifaktoriellen Erkrankungen hängt in hohem Maße von Umwelteinflüssen und epigenetischen Mechanismen der Genregulation ab.
Unter Epigenetik versteht man die Erforschung von Phänomenen und Mechanismen, die erbliche Veränderungen an den Chromosomen hervorrufen und die Aktivität von Genen beeinflussen, ohne die DNA-Sequenz zu verändern. Dabei stellt sich auch die Frage, ob über die Gene hinaus auch Informationen über die Umwelt vererbt werden können und wenn ja, wie und welche.
Lange ging man davon aus, dass nur spontane Gen-Mutationen das Erbgut verändern können, jedoch nicht die direkte Interaktion mit der Umwelt. Diese Annahme wurde jedoch widerlegt und die daraus resultierende Epigenetik beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel zwischen Umwelt und Genen, wobei zu betonen ist, dass hierbei hauptsächlich die Zusammenarbeit der Zellen innerhalb eines Organs und nicht die direkte Entwicklung gemeint ist.
Das Einführungskapitel des Fachbuchs „Einführung in die Epigenetik“ (Springer, 2016)
ist online frei verfügbar und stellt einen guten Einstieg ins Thema dar:
https://www.springerprofessional.de/einfuehrung-in-die-epigenetik/6951402
Weitere Artikel zum Thema:
- https://www.apotheken-umschau.de/Medizin/Epigenetik-Wie-die-Umwelt-unsere-Gene-beeinflusst-521741.html
- https://www.wissensschau.de/genom/genome_und_gene.php
- https://www.wissensschau.de/genom/epigenetik_vererbung_umwelt.php
- https://www.wissensschau.de/genom/epigenetik_lamarck_evolution.php
- http://www.spektrum.de/thema/epigenetik/1191602
Ein aktueller Themenband „Epigenetik : Implikationen für die Lebens- und Geisteswissenschaften“ (2017) der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften trägt durch sein weit gefasstes Spektrum an Beiträgen zum aktuellen Forschungsstand dazu bei, den Diskurs über mögliche Einflüsse epigenetischer Erkenntnisse auf unsere Lebenswelt verständlicher
zu machen und zu versachlichen:
https://edoc.bbaw.de/files/2682/BBAW_Epigenetik_Kurzfassung.pdf
Die Arbeitsgruppe Epigenetik der Universität des Saarlandes um Prof. Dr. Jörn Walter beschäftigt sich mit dem grundlegenden Verständnis epigenetischer Mechanismen und deren Bedeutung für Gesundheit und Erkrankung, und verfolgt das Ziel, „funktionelle Veränderungen der Gensteuerung auf verschiedenen epigenetischen Ebenen in allen menschlichen Zellen unterschiedlicher Entwicklungs-, Gesundheits- und Altersstadien zu verorten und zu interpretieren.“
http://epigenetik.uni-saarland.de/de/home/
Dort findet sich auch der Link zu einer durch australische Forschungspartner zusammengestellten Sammlung englischsprachiger Videos zu epigenetischen Konzepten:
https://www.garvan.org.au/research/genomics-epigenetics/epigenetics-research/videos
Auf dem „Portal epigenetischer Forschung in D, A und CH„, finanziell unterstützt durch das DFG-Schwerpunktprogramm 1129, findet sich neben einer Einführung ins Thema auch eine Übersicht der Arbeitsgruppen in Deutschland, der Schweiz und Österreich, die sich mit epigenetischen Themen beschäftigen, und deren Themen:
http://epigenetics.uni-saarland.de/de/home/
http://epigenetics.uni-saarland.de/de/groups/
8. Pränatale Diagnostik und Gentests – Konsequenzen
In entsprechenden Richtlinien der Gendiagnostik-Kommission werden auch die vorgeburtliche Risikoabklärung und vorgeburtliche Untersuchungen behandelt:
https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/Richtlinien_node.html
Die Gendiagnostik-Kommission informiert in dreijährigen Tätigkeitsberichten über die Umsetzung ihres Auftrages und den allgemeinen Stand zu den einzelnen Themen. Im Zweiten Tätigkeitsbericht über die Jahre 2013-2015 wird ab Seite 44 auch Bezug genommen auf nicht-invasive pränatale Tests, den Stand der Wissenschaft und Technik, die Herausforderungen an die Aufklärung und Beratung sowie deren ethische, rechtliche und soziale Aspekte:
Ein sehr kurzer, aber prägnanter Artikel fasst die Hintergründe und in einem kurzen Abriss auch die Konsequenzen der pränatalen Gendiagnostik zusammen:
https://www.3sat.de/page/?source=/scobel/178890/index.html
Ein kritischer Podcast-Beitrag über Gentests in der Schwangerschaft kann hier heruntergeladen werden:
Eine Aufstellung der Möglichkeiten pränataler Untersuchungen und deren Anwendungsgebiete sowie Hinweise zur Beratung gibt ein fachlich tiefer gehender Artikel des Ärzteblattes.
Dort heisst es einleitend:
„Bei etwa 4 % aller Neugeborenen liegt eine erblich bedingte oder mitbedingte Erkrankung vor. Erblich mit determinierte Krankheiten kann man in drei Gruppen einteilen:
- Chromosomenaberrationen
- monogen bedingte Erkrankungen, die jeweils auf eine einzelne mutierte Erbanlage zurückzuführen sind
- polygen-multifaktorielle Krankheiten, die jeweils durch mehrere Erbanlagen und exogene Faktoren bedingt sind.
Im Folgenden werden die Möglichkeiten und Grenzen der Pränataldiagnostik chromosomaler Aberrationen und monogen erblicher Erkrankungen diskutiert.“
https://www.aerzteblatt.de/archiv/79460/Praenataldiagnostik-genetischer-Erkrankungen
9. Pharmakogenetische Gentests
„Die Pharmakogenetik untersucht den Einfluss unterschiedlicher genetischer Ausstattung von Patienten auf die Wirkung von Arzneimitteln. Sie erlaubt Vorhersagen über die fallspezifische Wirkung eines Arzneimittels, was eine näher an den individuellen Bedarf eines Patienten angepasste Dosierung ermöglicht und relative Überdosierungen vermeiden hilft. Forschungsziel ist, die genetische Variabilität der Arzneimittelwirkungen auf breiter Basis aufzuschlüsseln, um diese Erkenntnisse für die Arzneimittelentwicklung und zur Individualisierung der Pharmakotherapie einzusetzen“. (Quelle: Wikipedia)
In einem Artikel der Pharmazeutischen Zeitung wird dargestellt, wie prädiktive Gentests dazu beitragen können, genetische Veränderungen zu identifizieren, die eine Arzneitherapie bei Kindern stark beeinflussen können, aber auch, welche Risiken sie bergen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=50713
Auch zwei Artikel im Portal Wissensschau und der ZEIT (letzterer nur nach kostenfreier Anmeldung zugänglich) beschäftigen sich mit dem Potenzial der Pharmakogenetik, aber auch den Fragen, die sie aufwerfen:
https://www.wissensschau.de/genom/pharmakogenetik_genom_medizin.php
http://www.zeit.de/2010/05/M-Kritik-Personal-Medizin
Um den Kenntnisstand zur Pharmakogenetik bei Apothekern und Ärzten sowie das Interesse von Patienten an diesem Thema geht es im folgenden Artikel der Deutschen ApothekerZeitung:
Auch eine englischsprachige Fachveröffentlichung im New England Journal of Medicine greift das Thema in einem Überblick auf:
http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMra1010600
Ein aktueller Übersichtsartikel in der Zeitschrift Medizinische Genetik des am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein tätigen Pharmakologen Prof. Ingolf Cascorbi fasst den aktuellen Stand zum Thema Pharmakogenetik zusammen:
https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s11825-017-0146-2.pdf
Zusatzmaterialien als PDF zum Herunterladen
Die Materialien wurden zum Zugriffszeitpunkt 31.01.2018 erstellt von:
Volker Mosbrugger, Sybille Roller, Francesco Lupusella, Julia Krohmer und Rebecca Spitzenberger.