07 Künstliches Leben: Organismen vom Reißbrett

Autor: Michael Lange

Künstliches Leben: Organismen vom Reißbrett

Lebewesen lassen sich nicht nur auseinandernehmen und entschlüsseln, Forscher können sie auch im Labor zusammenbauen. Tausende Studierende versuchen dies Jahr für Jahr in einem weltweiten Wettbewerb in synthetischer Biologie. Ein ganzes Lebewesen von Grund auf im Labor herzustellen, ist jedoch keinesfalls einfach.

Wird der Mensch bald genetisch programmierbar sein?

Als die Arbeitsgruppe um den Genom-Pionier Craig Venter 2010 ein Bakterium mit einem künstlichen Erbgut erzeugte, war dies der Startschuss. Seitdem werden Methoden zum Zusammenbau von Hefen und größeren Lebewesen entwickelt.

Auch an einer allgemein gültigen biologischen Programmiersprache wird gearbeitet. Und es ist zumindest nicht auszuschließen, dass auch der Mensch in Zukunft genetisch programmierbar ist.

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Sendung als Podcast

Download Funkkolleg Biologie und Ethik (07), MP3-Audioformat, 25:05 Min., 45.9 MB

Sendung in hr-iNFO: 09.12.2017, 11:30 Uhr

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Zusatzmaterial

  1. iGem-Wettbewerb
  2. Synthetische Biologie
  3. Was ist Synthetische Biologie?
  4. Synthetische Biologie: Herstellung pflanzlicher Wirkstoffe
  5. Synthetische Biologie: Herstellung synthetischer Organismen
  6. Synthetische Biologie: Ethische Beurteilung
  7. Synthetische Biologie in Hessen

1. iGem-Wettbewerb

Internationaler Wettbewerb gentechnischer Maschinen für Studierende auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie, englisch: International Genetically Engineered Machine competition.

Der Wettbewerb ist das Hauptprojekt der igem Foundation (http://igem.org/Main_Page), einer „unabhängigen non-profit-Organisation, die sich der Bildungsarbeit und dem Wettbewerb widmet, Fortschritte in der synthetischen Biologie anstrebt und großen Wert auf Zusammenarbeit und Informationsaustausch legt“.  („dedicated to education and competition, the advancement of synthetic biology, and the development of an open community and collaboration.“)

Die iGem Foundation wird von diversen Sponsoren aus Wirtschaft und öffentlicher Hand finanziert (http://2017.igem.org/Sponsors)

Website: http://igem.org

Teams deutscher Universitäten nehmen regelmäßig mit großem Erfolg an dem Wettbewerb teil: 2017 schafften es Teams aus Aachen, Berlin, Darmstadt, Freiburg, Hamburg, Heidelberg, Köln/Düsseldorf, München, Stuttgart und Tübingen auf die Medaillenränge
(Quelle: http://2017.igem.org/Competition/Results)

Hier einige Links zu den Seiten deutscher Universitätsteams zu ihren Teilnahmeprojekten:

http://www.igem.tu-darmstadt.de/2017/home_3.de.jsp

http://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2015/pm.2015-09-30.135

https://www.facebook.com/iGEMHeidelberg2017/

https://www.facebook.com/Munich.iGEM/

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2. Synthetische Biologie

Auf ZEIT online ist ein umfassendes Dossier zum Thema Synthetische Biologie verfügbar, das einen Überblick über die Entwicklung des Themas in den letzten Jahren gibt:

http://www.zeit.de/thema/synthetische-biologie

Die Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften veröffentlicht Stellungnahmen und Diskussionspapiere zu verschiedenen Aspekten der Genomchirurgie und zur Synthetischen Biologie. Mitglieder der Leopoldina und weitere Experten erstellen diese Papiere in Arbeitsgruppen oder als Dokumentation von Fachsymposien. Gemeinsam mit anderen Akademien und Wissenschaftseinrichtungen erarbeiten die Wissenschaftler Empfehlungen für Politik und Gesellschaft. Die Publikationen sind alle frei zugänglich:

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3. Was ist Synthetische Biologie?

Die 3sat-Dokumentation „Biobricks – Bausteine des Lebens“ beschäftigt sich mit der synthetischen Biologie:

http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=34191

Auf dem Webportal wissensschau.de des Biochemikers und Immunologen Volker Henn findet sich eine Seite zur synthetischen Biologie, mit mehreren weiterführenden Links.

http://www.wissensschau.de/synthetische_biologie/synthetische_biologie_definition.php

Auch ein sehr umfangreiches Dossier des von Umwelt-, Wirtschafts-, Verbraucher- und Bauernverbänden getragenen Informationsdienstes Gentechnik setzt sich umfassend mit den Möglichkeiten und Risiken der synthetischen Biologie auseinander:

https://www.keine-gentechnik.de/dossiers/synthetische-biologie/

Auch die Max-Plank-Gesellschaft, in deren Forschungsnetzwerk MaxSynBio neun Institute zum Thema synthetische Biologie forschen, betreibt ein umfassendes Webportal zum Thema:

https://www.mpg.de/themenportal/synthetische-biologie

In einer gemeinsam von der Max-Planck-Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Leopoldina verfassten Stellungnahme haben diese Institutionen bereits 2009 eine gemeinsame Stellungnahme zu den möglichen Chancen und Risiken der Synthetischen Biologie erarbeitet:

https://www.mpg.de/7423639/synthbio_stellungnahme.pdf


Weiterführende Literatur zum Thema Synthetische Biologie

Englische Veröffentlichungen:

  • Agapakis, CM & Silver, PA (2009). Synthetic biology: exploring and exploiting genetic modularity through the design of novel biological networks. Mol Biosyst 5 (7): 704-713 (doi: 10.1039/b901484e)
  • Ball, P (2007). Synthetic biology: designs for life. Nature 448 (7149): 32-33. (doi: 10.1038/448032a)
  • Fu, P (2006). A perspective of synthetic biology: assembling building blocks for novel functions. Biotechnol J 1 (6): 690-699. (doi: 10.1002/biot.200600019)
  • Benner, SA & Sismour, AM (2005). Synthetic biology. Nat Rev Genet 6 (7): 533-543. (doi: 10.1038/nrg1637)

Kritisch zur Synthetischen Biologie äußert sich die Heinrich-Böll-Stiftung:

Siehe hierzu auch das folgende, von der Stiftung veröffentlichte Video, das auch hier abgerufen werden kann: https://www.youtube.com/watch?v=QBrortOS7E4&feature=youtu.be

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4. Synthetische Biologie: Herstellung pflanzlicher Wirkstoffe

2015 ging der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin zur Hälfte an William C. Campbell (Irland) und Satoshi Omura (Japan) für die Entdeckung von Avermectin, das die Behandlung der tropischen Flussblindheit und Elephantiasis verändert hat.

Ebenfalls ausgezeichnet wurde Youyou Tu (China) für die Entdeckung von Artemisinin, das sich zum Standardmedikament zur Behandlung der Malaria entwickelt hat. (https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/medicine/laureates/2015/press.pdf, http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/nobelpreis-medizin-2015-medikamente-gegen-malaria-und-fadenwuermer-a-1056209.html)

Fachliteratur hierzu:

  • Egerton, JR et al. (1979).  Avermectins, new family of potent anthelmintic agents: efficacy of the B1a component. Antimicrob Agents Chemother 15 (3): 372-378. (doi: 10.1128/AAC.15.3.372)
  • Burg, RW et al. (1979). Avermectins, new family of potent anthelmintic agents: producing organism and fermentation. Antimicrob Agents Chemother 15 (3): 361-367. (doi: 10.1128/AAC.15.3.361)
  • Tu, YY et al. (1981). Studies on the constituents of Artemisia annua L [in Chinese]. Yao Xue Xue Bao 16 (5): 366-370.
  • Tu, YY (2011). The discovery of artemisinin (qinghaosu) and gifts from Chinese medicine. Nat Med 17 (10): 1217-1220. (doi: 10.1038/nm.2471) (http://173-254-8-36.unifiedlayer.com/awards/pdf/2011_c_youyou.pdf)

Mithilfe der Synthetischen Biologie besteht nun die Möglichkeit, das Medikament Artemisinin in großen Mengen zu produzieren. Dabei werden die entscheidenden Gene aus dem Einjährigen Beifuß (Artemisia annua) in Hefezellen kopiert. Diese Hefepilze produzieren zunächst Artemisininsäure, aus der sich dann in einem weiteren biosynthetischen Schritt der Stoff Artemisinin gewinnen lässt.

Im Folgenden findet sich eine Übersicht von Artikeln, die die Entdeckung und die neuen Methoden zur Herstellung des Artemisinins zusammenfassen:

  • Kupferschmidt, K (2011). Synthetische Biologie: Wie Hefezellen Medikamente gegen Malaria herstellen. ZEIT ONLINE (http://www.zeit.de/wissen/2011-02/biologie-zellen)
  • Pharmazeutische Zeitung online (2013). Artemisinin. Malaria-Mittel aus Hefepilzen. (https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=46181)
  • Meshnick, SR (2002). Artemisinin: mechanisms of action, resistance and toxicity. Int J Parasitol 32 (13): 1655-1660. (doi: 10.1016/S0020-7519(02)00194-7)
  • Abdin, MZ/ Israr, M/ Rehman, RU/ Jain, SK (2003). Artemisinin, a novel antimalarial drug: biochemical and molecular approaches for enhanced production. Planta Med 69 (4): 289-299. (doi: 10.1055/s-2003-38871)
  • Bray, PG/ Ward, SA/ O’Neill, PM (2005).Quinolines and Artemisinin: Chemistry, Biology and History. In: Compans, RW et al. (Hrsg.). Malaria: Drugs, Disease and Post-genomic Biology, Springer, Berlin [u.a.]: 3-38. (doi: 10.1007/3-540-29088-5_1)
  • Ro, DK et al. (2006). Production of the antimalarial drug precursor artemisinic acid in engineered yeast. Nature 440 (7086): 940-943. (doi: 10.1038/nature04640)
  • Cui, L & Su, XZ (2009). Discovery, mechanisms of action and combination therapy of artemisinin. Expert Rev Anti Infect Ther 7 (8): 999-1013. (doi: 10.1586/eri.09.68)
  • Paddon, CJ et al. (2013). High-level semi-synthetic production of the potent antimalarial artemisinin. Nature 496 (7446): 528-532. (doi: 10.1038/nature12051)
  • Winzeler, EA & Manary, MJ (2014). Drug resistance genomics of the antimalarial drug artemisinin. Genome Biol 15 (11): 544. (doi: 10.1186/s13059-014-0544-6)
  • Fuentes P et al. (2016). A new synthetic biology approach allows transfer of an entire metabolic pathway from a medicinal plant to a biomass crop. Elife 5: e13664 (doi: 10.7554/eLife.13664)

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5. Synthetische Biologie: Herstellung synthetischer Organismen

Die synthetische Biologie kann nicht nur Hefezellen zur Produktion pflanzlicher Stoffe „umprogrammieren“, sondern auch ein vollständiges Erbgut selbst synthetisch herstellen und in eine Zelle eingepflanzen. Mycoplasma mycoides JCVI-syn1.0 ist ein solches synthetisch hergestelltes, lebensfähiges Bakterium. Selbst ganze Chromosomen können Forscher erschaffen.

Die folgenden Artikel befassen sich mit dieser neuen Möglichkeit:

Synthetisch hergestelltes Chromosom

Die folgenden deutsch- und englischsprachigen Artikel geben einen Überblick über die Erschaffung sogenannter „Designer-Chromosomen“.

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6. Synthetische Biologie: Ethische Beurteilung

Der deutsche Ethikrat hat sich in den letzten Jahren regelmäßig in Form von Veröffentlichungen und Veranstaltungen mit dem Thema „Synthetische Biologie“ befasst. Die Beiträge können auf dieser Themenseite abgerufen werden.

http://www.ethikrat.org/themen/forschung-und-technik/synthetische-biologie

Besonders umfassend und interessant ist die Dokumentation der Tagung „Bedeutung der Synthetischen Biologie für Wissenschaft und Gesellschaft“ (2011):

http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/tagungsdokumentation-werkstatt-leben.pdf

Weitere Beiträge, die sich unter ethischen Kriterien mit dem Thema „Synthetische Biologie“befassen:

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7. Synthetische Biologie in Hessen

Das im Rahmen der hessischen Landesoffensive zur Förderung wissenschaftlicher und ökonomischer Exzellenz (LOEWE) eingerichtete LOEWE-Zentrum für Synthetische Mikrobiologie Synmikro in Marburg hat sich seit seiner Gründung im Jahr 2010 zu einem der weltweit größten Zentren synthetisch-mikrobiologischer Forschung entwickelt:

http://www.proloewe.de/synmikro

http://synmikro.com

SYNMIKRO hat zwei übergeordnete Ziele: Zum einen sollen die bisher eher statischen Komponenten und Funktionsanalysen mikrobieller Zellen hin zu einem quantitativen, dynamischen, theoretisch modellierbaren Funktionsverständnis weiterentwickelt werden. Zum anderen verfolgt SYNMIKRO das innovative Ziel, über rationales Design neue Funktionseinheiten zu synthetisieren, zu kombinieren und in den Funktionsapparat der Zelle zu integrieren, um Mikroorganismen mit neuen Eigenschaften und Anwendungspotenzial herzustellen.

In Marburg wurde dieses Jahr auch die German Association for Synthetic Biology (https://www.synthetischebiologie.org) gegründet, deren erste Jahreskonferenz im November stattfand. Hier findet sich ein Überblick über die Themen der Konferenz (englisch):

https://www.synthetischebiologie.org/schedule

Am ebenfalls in Marburg ansässigen Max-Planck-Institut für Terrestrische Mikrobiologie (www.mpi-marburg.mpg.de), das auch am LOEWE-Zentrum Synmikro beteiligt ist, arbeiten mehrere Arbeitsgruppen im Bereich der synthetischen Biologie.

So ist es z.B. dem Biologen Tobias Erb gelungen, einen künstlichen Stoffwechselkreislauf zu erschaffen, in dem die CO2-Fixierung effizienter abläuft als in der natürlichen Photosynthese. Seine Arbeit wird in einem 3sat-Feature vorgestellt (http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=68720), sowie in einem Artikel in der FAZ, der parallel zu einem von Erb im November 2017 in Frankfurt gehaltenen Thema erschienen ist:

https://www.maxsynbio.mpg.de/992272/news-2017-faz-erb

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Zusatzmaterialien als PDF zum Herunterladen

Die Materialien wurden zum Zugriffszeitpunkt 6.12.2017 erstellt von:
Volker Mosbrugger, Sybille Roller, Francesco Lupusella, Julia Krohmer